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Politik: Abschied vom Norden

Im Südsudan herrscht Jubel – die Unabhängigkeit ist besiegelt, ein Präsident amtiert, die eigene Flagge weht

Juba - Ganz Juba war Schwarz, Rot, Grün und Weiß: Mit den Flaggen ihres jungen Staates haben am Samstag zehntausende Menschen die Unabhängigkeit des Südsudan gefeiert. Nach einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg ist das größte Land auf dem afrikanischen Kontinent nun in einen vornehmlich muslimischen Norden und einen christlichen Süden geteilt.

Schon in der Nacht fahren die Menschen hupend durch die Straßen der Hauptstadt, um die langersehnte Staatsgründung zu feiern. Viele gehen in ihren traditionellen Gewändern auf die Straßen, Soldaten und Zivilisten tanzen und trommeln in der afrikanischen Hitze und freuen sich auf die bevorstehende Unabhängigkeit. „Wir sind frei! Wir verabschieden den Norden und begrüßen die Freude“, rufen sie.

Am Samstagmorgen dann machen sich die Menschen zu Zehntausenden auf den Weg zum Grab des von ihnen verehrten Rebellenführers John Garang, dem Ort der Unabhängigkeitszeremonie. Garang war 2005 kurz nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens zur Beendigung des Bürgerkriegs zwischen Nord und Süd bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. „Südsudan, oh ja! Freier Südsudan“, rufen sie wieder, schwenken ihre Flaggen und singen.

Die Menschenmenge vor dem Mausoleum ist die größte, die sich je in der Stadt am Ufer des Weißen Nils versammelt hat. Die Zeremonie beginnt mit Gebeten von christlichen und muslimischen Würdenträgern. Der katholische Erzbischof Paulino Lokudu betet für „Glück für unser ganzes Volk“ und ruft zu Verständnis und Zusammenarbeit zwischen den beiden „Nachbarländern“ Sudan und Südsudan auf.

Dann ruft Parlamentspräsident James Wani Igga feierlich die Unabhängigkeit aus. „Wir, die demokratisch gewählten Vertreter des Volkes, erklären den Südsudan auf der Grundlage des Willens der Bevölkerung und des Ausgangs des Referendums zur Unabhängigkeit hiermit zu einer unabhängigen und souveränen Nation“, heißt es in der Erklärung. Und kurz darauf bekommt der Südsudan seinen ersten Präsidenten – der 60-jährige Salva Kiir legt den Amtseid ab und unterzeichnet die Übergangsverfassung des neuen Staates. Nur wenige Minuten nach der Unabhängigkeitserklärung wird die südsudanesische Flagge – schwarz-rot-grün- weiß mit blauem Dreieck und gelbem Stern – gehisst. Die Menschen vergießen Tränen der Freude. „Wir werden uns niemals, niemals ergeben“, rufen sie unter Jubelrufen.

Neben UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sowie Präsidenten und Regierungsvertretern aus aller Welt nimmt auch der sudanesische Staatschef Omar al Baschir, der im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen in der sudanesischen Krisenregion Darfur mit einem internationalem Haftbefehl gesucht wird, an den Feierlichkeiten teil. Auch Menschen aus Darfur sind da. „Wir sind hier, um unsere Brüder im Süden in der Unabhängigkeit zu begrüßen“, sagt Mohammed Dschamus. „Und wir wollen Baschir eine Nachricht überbringen: Das passiert, wenn Menschen unterdrückt werden.“ Der Unabhängigkeitserklärung folgen prompt zahlreiche offizielle Anerkennungen anderer Staaten. Auch der Norden ist längst darunter, obwohl es zwischen beiden Seiten weiterhin zahlreiche ungeklärte Fragen gibt, etwa zum Status umstrittener Grenzregionen. Daniel Deng Bol, Erzbischof des Sudan, beschreibt den Samstag als „historischen Tag und Tag der Gerechtigkeit“. „Heute können wir ein neues Leben beginnen und die Leiden und den Schmerz vergessen.“ Peter Martell (afp)

Peter Martell (afp)

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