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Politik: Abschottung mit Folgen

Spanien versperrt Flüchtlingen den Weg – sie suchen neue Routen nach Europa

Europa, sagt Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef José Luis Zapatero, „darf keine Festung sein“. Aber auch kein Kontinent, in den Migranten nach Belieben und illegal einwandern können. „Man kann nach Europa kommen, aber man muss an der Tür anklopfen.“ Wer nicht klopft, wie viele afrikanische Armuts- und Krisenflüchtlinge, die in wackeligen Booten übers Meer Richtung Europa kommen, findet in Spanien zunehmend geschlossene Türen. Und Zapatero, der nach der Machtübernahme im Jahr 2004 zunächst eine Generalamnestie für Illegale im Land verkündete und sich eine laxe Einwanderungspolitik vorwerfen lassen musste, will die illegale Zuwanderung weiter erschweren.

Eine unsichtbare Mauer schützt die spanische Wassergrenze im Mittelmeer und im Atlantik. Jedes Jahr wird der elektronische Wall, dessen technische Einzelheiten geheim sind, weiter ausgebaut. Man weiß aber so viel: Mit Spezialkameras können die Grenzschützer bis zu 20 Kilometer, mit Radarantennen sogar mehr als 100 Kilometer weit nach Booten mit illegalen Flüchtlingen Ausschau halten und sie abfangen – Tag und Nacht. Nur bei stürmischer See fällt es den Küstenschützern schwer, auf ihren Bildschirmen Wellenberge von Schlauchbooten voller Flüchtlinge zu unterscheiden. Der Hightech-Grenzzaun umgibt die Kanarischen Inseln, die vor der westafrikanischen Küste im Atlantik liegen. Genauso wie Mallorca und die übrigen Baleareninseln, die sich auf halbem Wege von Nordafrika zur spanischen Festlandküste im Mittelmeer befinden. Und immer weitere Teile von Spaniens Süd- und Ostküste, die bei Urlaubern unter den Namen Costa de la Luz, Costa del Sol und Costa Blanca bekannt sind.

Die Abschottung zeigt Wirkung. Während an Spaniens Küste die Zahl der ankommenden Armutsmigranten zurückgeht, landen in Italien, auf Malta und in Griechenland immer mehr „Boat People“. Auch hat sich herumgesprochen, dass in Spanien die Abschiebung Illegaler immer schneller vonstatten geht. Rückführungsabkommen mit afrikanischen Staaten, die im Gegenzug mit Entwicklungshilfe belohnt werden, erleichtern Massenabschiebungen. Nur bei Minderjährigen und Schwangeren werden Ausnahmen gemacht, weshalb immer mehr Halbwüchsige und Frauen in den Booten sitzen.

Die Schleppermafia, die das Geschäft der illegalen Einwanderung steuert, sucht sich derweil neue Wasserrouten nach Südeuropa, die noch weniger überwacht sind. Die Wege werden damit oft länger, somit auch gefährlicher, man hört von immer mehr Fluchttragödien. Mehrere 1000 Krisen- und Wirtschaftsflüchtlinge, so die Schätzungen, sterben jedes Jahr auf dem Wasserweg nach Europa.

Seit Jahresanfang sind rund 6000 Illegale mit Booten an den spanischen Küsten gelandet, deutlich weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im gesamten Jahr 2007 waren es rund 18 000 Bootsflüchtlinge. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen warnte derweil: „Verstärkte Kontrollen und Überwachung halten die Menschen nicht davon ab zu versuchen, nach Europa zu gelangen. Diese Menschen flüchten vor Krieg, Gewalt, Hunger und extremer Not. Die gefährliche Reise zu wagen, ist ihre einzige Chance. Dafür gehen sie immer größere Risiken ein.“

Ralph Schulze[Madrid]

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