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Abstimmung: Bundestag beschließt Gesundheitsreform

Der Bundestag hat die umstrittene Gesundheitsreform verabschiedet - mit Abweichlern in der großen Koalition: Bei der CDU/CSU gab es mehr Nein-Stimmen als bei der SPD.

Berlin - In namentlicher Abstimmung votierten 378 Abgeordnete für das Reformvorhaben der großen Koalition, 206 waren dagegen, es gab acht Enthaltungen. Laut Auszählung votierten im Koalitionslager - das 447 Stimmen hat - 23 Abgeordnete von CDU/CSU gegen die Reform. Bei den Sozialdemokraten waren es 20 Fraktionsmitglieder. In beiden Fraktionen enthielten sich je vier Abgeordnete.

Bei der Opposition stimmten die anwesenden Parlamentarier geschlossen dagegen: Bei der FDP gab es 60 Nein-Stimmen, bei der Linksfraktion 52 und bei den Grünen 49. Auch die beiden Fraktionslosen im Bundestag, der frühere Unionsabgeordnete Henry Nitzsche und der frühere Links-Fraktionsabgeordnete Gert Winkelmeier, stimmten dagegen. Insgesamt beteiligten sich 592 der 614 Abgeordneten an der Abstimmung.

Fonds kommt erst 2009

Am 16. Februar muss das mehr als 500 Seiten starke Gesetzespaket den Bundesrat passieren. Die Zustimmung gilt als sicher. Am 1. April soll die Reform in Kraft treten. Das Kernstück der Reform, der Gesundheitsfonds als zentrale Beitragssammelstelle samt erweitertem Finanzausgleich der Krankenkassen und neuer Ärzte-Vergütung, kommt allerdings erst 2009. Dann gibt es einen bundesweit einheitlichen Beitragssatz. Die Kassen erhalten aus dem Fonds für ihre Versicherten Pauschalen sowie risikobezogene Zuschläge. Kommt eine Kasse damit nicht aus, darf sie von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag verlangen.

In der Bundestagsdebatte lehnten FDP, Links-Fraktion und Grüne die auch in der Koalition umstrittene Reform erneut in scharfer Form ab. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und der Unions-Verhandlungsführer Wolfgang Zöller (CSU) verteidigten den Reformkompromiss. Schmidt versicherte, dank der Reform könnten auch künftig "gute Leistungen für alle Menschen zu bezahlbaren Preisen" erbracht werden. Dabei sei es "solidarisch, wenn alle den gleichen Prozentsatz für die Versorgung aufbringen", fügte die Ministerin mit Blick auf den Gesundheitsfonds hinzu. Als "großen sozialpolitischen Durchbruch" bezeichnete sie die Einführung der allgemeinen Versicherungspflicht. "Für Menschen ohne Schutz heißt es jetzt: 'Willkommen in der Solidarität.'" Mit dem Ergebnis der Abstimmung über die Gesundheitsreform zeigte sie sich "zufrieden". Schmidt sprach nach der Schlussberatung im Parlament von einer "guten Mehrheit". Sie sei nun sicher, dass die Reform am 1. April in Kraft treten könne.

"Weg in die bürokratische Staatswirtschaft"

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle warf dagegen der Koalition vor, mit der Reform einen "Weg in Richtung von noch mehr bürokratischer Staatswirtschaft" zu beschreiten. Er warnte zugleich vor Steuererhöhungen als Folge der Reform: "Sie erhöhen die Beiträge, Sie führen die Planwirtschaft durch den Gesundheitsfonds ein, Sie erhöhen die Steuern, und Sie machen die Leistungen für die Versicherten und Patienten schlechter", hielt Westerwelle der Bundesregierung vor.

Links-Fraktionschef Gregor Gysi sagte starke Beitragssteigerungen voraus. "Das einzige Ziel dieser Gesundheitsreform besteht darin, der Wirtschaft zu dienen", monierte er. Denn ab 2009 würden Kostensteigerungen einseitig auf die Versicherten abgewälzt. Dies habe "mit sozial und mit solidarisch gar nichts zu tun". Mit der Einführung des Verschuldensprinzips werde ein wesentlicher Wert der Krankenversicherung aufgegeben. Die Praxisgebühr habe aus Ärzten schon "Kassenwarte" gemacht, jetzt würden sie "Gesundheitspolizisten".

"Die Gesundheitsreform ist besser als ihr Ruf"

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete den schwarz-roten Verhandlungsmarathon der vergangenen Monate als "Tragikkomödie". Dabei sei "die Illusion baden gegangen", dass eine große Koalition große Probleme lösen könne. "Sie sind eingeknickt vor den Lobbyisten, und die Zeche zahlen die Versicherten", kritisierte Künast. So habe die Koalition keine Verständigung über die künftige Finanzierung des Systems erzielt und auf massive Eingriffe bei den Ausgaben verzichtet. Die Versicherungspflicht sei in Wahrheit ein "Geschenk an die privaten Versicherungen".

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) wies die Kritik an dem Reformwerk entschieden zurück. "Die Gesundheitsreform ist wesentlich besser als ihr Ruf", hob er hervor. Die Chancen seien viel größer als die Risiken. Angesichts eines "Verteilungsvolumens" von 150 Milliarden Euro sei Widerstand zu erwarten gewesen. "Der Gegenwind kann uns aber nicht davon entbinden, die notwendigen Entscheidungen zu treffen", sagte Zöller.

Erleichterung bei Merkel

Von der politischen Bedeutung und von der Sache her sei die Reform "ein sehr bedeutendes Werk", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Mit Blick auf das monatelange Gezerre in der Koalition um die Reform und etlichen Abweichlern bei CDU/CSU und SPD sagte die Kanzlerin, das Bild der "schwierigen Schwangerschaft" sei richtig gewählt. "Wenn das mit dem Kind dann auch so eintritt, dass es vorankommt, dann ist es gut." (tso/ddp/AFP/dpa)

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