zum Hauptinhalt
Angeschlagen. CSU-Chef Horst Seehofer.

© Christof Stache/AFP

Absturz bei Bundestagswahl: CSU sucht ihre Rettung in Rechtsruck

Die Christsozialen sind in Bayern unerwartet abgestürzt. Nun könnten sie der Kanzlerin noch weit mehr Probleme bescheren als bisher. Eine Analyse.

Fassungslosigkeit bei der CSU. Sicherheitshalber hatten die Christsozialen als Wahlziel zwar nur angekündigt, so stark werden zu wollen, „dass im Bund niemand gegen uns regieren kann“. Doch intern hatten die Parteistrategen im Freistaat auf ein Ergebnis nahe 50 Prozent gehofft und die Schmerzgrenze bei 45 Prozent gezogen. Nun rutschte die erfolgsverwöhnte Partei nochmal um sechs Prozent unter ihr äußerstes Schreckensszenario. „Eine Katastrophe“, kommentierte der frühere Parteichef Erwin Huber das Ergebnis noch vor der ersten Hochrechnung. Nach dem „Prinzip des Weiter-So“ werde die CSU nun nicht länger verfahren können. Vor vier Jahren hatte sie noch 49,3 Prozent der Stimmen eingefahren.

Die CSU rutschte stärker ab als die Gesamtunion

Fast noch schlimmer als das eigene zweistellige Minus ist für CSU-Chef Horst Seehofer der Vergleich mit dem Unionsergebnis im Bund. Die Christsozialen hatten fest damit gerechnet, dank ihrer harscheren Flüchtlingspolitik den Abstand zur großen Schwesterpartei vergrößern und dadurch das eigene Gewicht innerhalb der Union erhöhen zu können. Nun ist es gerade andersrum: Die CSU im Freistaat rutschte stärker ab als die Gesamtunion – der Abstand hat sich nicht erhöht, sondern verringert. Seehofers selbstbewusste Truppe ist nicht mehr der verlässliche Stimmenbringer in der Unionsfamilie, sie ist zum Problemfall geworden.

Bei der Frage nach den Ursachen gehen die Meinungen auseinander. Aus Hubers Sicht hat Seehofers „Schaukelpolitik“ die eigenen Wähler irritiert. Auf einem Bein Merkel zu kritisieren und sie auf dem anderen zu unterstützen, habe nicht funktioniert, sagte er. Außerdem habe die CSU der AfD „viel zu viel Spielraum gegeben“.

Jetzt sei Seehofer fällig, hieß es in ersten Reaktionen unter frustrierten Parteifreunden. Denn für den Eiertanz zwischen vernichtender Kritik an der Kanzlerin samt Bloßstellung beim Parteitag und überschwänglichem Lobgesang auf dieselbe kurz vor der Wahl, stehe der Vorsitzende höchstselbst in Verantwortung. Doch bisher sind das nur Einzelstimmen. Er warne davor, in eine solche Debatte einzusteigen, sagte der bisherige Bundestags-Vizepräsident Johannes Singhammer.

Seehofer: Wer will kann gerne über mich diskutieren

„Wer will, kann gerne über mich diskutieren oder zu weiteren Taten schreiten“, höhnte der Kritisierte noch am Wahlabend zurück. Er wolle seine Partei trotz des voraussichtlich schlechtesten Bundestagswahlergebnisses seit 1949 weiter führen. „Ich bin dazu bereit“, sagte Seehofer dem Bayerischen Rundfunk. Er forderte seine Parteifreunde auf, trotz der herben Enttäuschung „menschlich anständig“ miteinander umzugehen. „Ich bin jedenfalls fest entschlossen, dass wir das so schnell wie möglich wieder ausbügeln.“

Seehofers Rezept dafür ist ein weiterer Rechtsruck. Von der Mutmaßung, dass die CSU ja auch abgestraft worden sein könnte, weil sie in der Flüchtlingspolitik gegenüber der Kanzlerin zu aggressiv aufgetreten und inhaltlich zu nah an die AfD gerückt sei, wollen der Parteivorsitzende und seine Getreuen nichts hören. Im Gegenteil. Man müsse jetzt „noch strikter dagegenhalten als in der Vergangenheit“, gab Seehofer noch am Wahlabend als Kurs vor. Auf der rechten Seite habe es ein Vakuum und eine „offene Flanke“ gegeben, analysierte er. Die gelte es in den nächsten Wochen „mit klarer Kante“ zu schließen.

Es gehe nun umso stärker darum, die im Bayernplan niedergeschriebene CSU-Programmatik zu Zuwanderungs- und Sicherheitsfragen in Berlin durchzusetzen, sagte Seehofer. Viele Menschen sähen die „kulturelle Identität des Landes gefährdet“. Dass im Wahlkampf vielleicht auch zu kurz gekommen sei, „dass wir der Anwalt der kleinen Leute sind“, ließ der frühere Sozialpolitiker in seiner Ursachenforschung nur am Rande anklingen.

Christsoziale wollen nun "die rechte Flanke schließen"

Die Schlussfolgerung von Noch-Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der sich am kommenden Dienstag in Berlin zum Landesgruppenchef wählen lassen will, fiel nahezu wortgleich aus. Auch er sprach davon, dass man die rechte Flanke schließen müsse. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ebenfalls. Der Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Joachim Herrmann, versicherte, dass die CSU bezüglich innerer Sicherheit und Begrenzung des Flüchtlingszustroms zu dem stehe, „was wir den Wählern versprochen haben“. Und selbst die Gemäßigten der Partei fordern als Konsequenz auf das Wahldesaster, in den Kampfanzug zu steigen. Die CSU dürfe jetzt nicht den Kopf senken, mahnte der Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber. Sie müsse „in die Schlacht ziehen“.

Doch was heißt das? Schon vor der Wahl hatte der Parteichef im Streit um eine Obergrenze für neu ins Land kommende Flüchtlinge, keinen Millimeter nachgegeben. Angela Merkel versicherte, dass es das geforderte Limit von 200.000 pro Jahr mit ihr nicht geben werde – und Seehofer konterte mit der „Garantie“, dies nach der Wahl dennoch zu erzwingen. Wie das ohne Gesichtsverlust der hochgelobten Kanzlerin gehen sollte, sagte er nicht.

In der flotten CSU-Analyse fehlt auch eine Erklärung des Umstands, dass es den Christsozialen trotz weit schärferer Töne nicht gelang, die AfD deutlich niedriger zu halten als im Bund. Die Rechtspopulisten kamen mit 12,6 Prozent in Bayern nur auf einen um einen Punkt niedrigeren Wert. Auffällig ist zudem noch etwas anderes: der hohe Zuspruch für Grüne und FDP. Beide erreichten im Freistaat knappe zehn Prozent. Und sogar die Linke schaffte dort diesmal eine Sechs vor dem Komma.

Merkel drohen schwierige Koalitionsverhandlungen

Nach den forschen Ankündigungen aus Bayern könnte es nun gut sein, dass die CSU als Wahlverlierer für Merkel noch stärker zum Problembären wird als bisher. Und wenn es tatsächlich auf ein Dreierbündnis der Union mit FDP und Grünen hinauslaufen soll, ist unklarer denn je, wie sich eine radikalisierte Seehofer-Truppe darin durchsetzen will. Man werde bei den Koalitionsverhandlungen keine „falschen Kompromisse“ akzeptieren, tönte der CSU-Chef in seiner Parteizentrale und erntete dafür anhaltenden Applaus.

Tatsächlich haben die Christsozialen längst die nächste und für sie weit wichtigere Wahl im Auge – und dadurch enormen Druck. Im Herbst 2018 gilt es für sie, die absolute Mehrheit in Bayern zu verteidigen. Bei diesem Urnengang müsse man „wesentlich besser abschneiden“, drängte Herrmann. Was aus seinem anvisierten Job als Bundesinnenminister wird, ließ er offen. „Es geht in der jetzigen Situation nicht darum, was ich jetzt mache“.

Zur Startseite