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Teile des Flugzeugwracks an der Absturzstelle.

© dpa

Absturz von Malaysia-Airlines-Flug MH17: Russland beschuldigt ukrainische Flugabwehr

Nach dem Absturz des Malaysia-Airlines-Fluges MH17 im Osten der Ukraine beschuldigen sich Russland und die Ukraine gegenseitig. Das russische Verteidigungsministerium spricht von Signalen der ukrainischen Flugabwehr, die auf einen Abschuss hindeuten sollen.

Nach Erkenntnissen des russischen Verteidigungsministeriums hat die ukrainische Luftabwehr den Absturz der malaysischen Boeing 777 Donnerstagabend über den umkämpften Gebieten im Südosten des Landes zu verantworten. „Russische funktechnische Mittel“, zitiert die Moskauer Nachrichtenagentur RIA nowosti einen Sprecher der Behörde, hätten Signale des ukrainischen Flugabwehr-Radars Kupol registriert, das im Raum Styla, 30 km südlich von Donezk stationiert ist. Es sei zur Absturzzeit in Betrieb gewesen und habe Daten zu Luftzielen mit fünf ukrainischen Fla-Batterien ausgetauscht, die mit Boden-Luft-Raketen des Typs Buk M1 ausgestattet sind. Eine davon könnte das Flugzeug getroffen haben, an Trümmern der Tragfläche wurden inzwischen Spuren von Geschossen festgestellt.

Schwere Vorwürfe gegen das ukrainische Militär hatten russische Experten schon am Donnerstagabend erhoben. Der ukrainischen Luftabwehr, so Igor Korotschenko, der Chefredakteur des Fachblatts „Nacionalnaja Oborona“ (Nationale Verteidigung) mangele es an Professionalität, bei der Überprüfung der Gefechtsbereitschaft von frisch in die Kampfzone verlegten Buk-Raketenwerfern habe es einen Fehlstart gegeben, das ausgebüxte Projektil die in 10 600 Metern Höhe fliegende Boeing getroffen. Buk sei „das einzige System, das Ziele in derartigen Höhen zerstören kann“.

Putin drängt auf schnelle Aufklärung

Ein Vertreter der Separatisten dagegen vermutete bei Rossija 24, dem Nachrichtenkanal des russischen Staatsfernsehens, ukrainische Militärs hätten „ein Objekt in großer Höhe geortet“, offenbar für ein russisches Spionageflugzeug gehalten und abgeschossen.

Andere russische Medien hatten zuvor gemeldet, die Unglücksmaschine sei etwa zehn Flugminuten von Erreichen des russischen Luftraums vom Radar der Fluglotsen verschwunden. Das entspricht bei der durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit einer Boeing 777 von rund 905 Stundenkilometern einer Entfernung von mehr als 150 km zur Grenze. Die pro-russischen Separatisten indes kontrollieren derzeit nur Territorien, die von der Grenze maximal fünfzig Kilometer entfernt sind. Zwar zerschellte der Liner auf ihrem Gebiet. Zu klären, wie lange er nach dem Zusammenprall mit der Rakete noch flog, ist Sache der Experten.

Präsident Wladimir Putin drängt auf schnelle, lückenlose und objektive Aufklärung. Das so genannte Zwischenstaatliche Luftfahrtkomitee MAK, in Russland zuständig für die Untersuchung von Havarien und Abstürzen, in die Fluggeräte anderer Staaten involviert sind, plädierte bereits für die Einsetzung einer unabhängigen internationale Kommission, die unter Federführung der ICAO tätig werden soll. Diese ist ein internationaler Dachverband, in dem sich rund 94 Prozent aller Fluggesellschaften weltweit zusammengeschlossen haben. Das MAK war federführend an der Untersuchung nach dem Absturz der polnischen Präsidentenmaschine im April 2010 bei Smolensk beteiligt, fing sich von Warschau jedoch heftige Kritik wegen Säumnis und Befangenheit ein. Mit der Katastrophe der malaysischen Boeing kommt womöglich auch die ICAO in akuten Erklärungsnotstand. Sie soll, wie russische Medien schreiben, die Flugroute bestätigt haben. Obwohl die Führung in Kiew für die Kampfzone ein Flugverbot erlassen hat.  

Russland meidet ukrainischen Luftraum

Russlands Staatscarrier Aeroflot und andere große russische Airlines wickeln ihre Linienflüge inzwischen unter Umgehung des ukrainischen Luftraums ab. Aeroflot fliegt vorerst auch Kiew und andere ukrainische Städte nicht mehr an.

Nach Erkenntnissen des russischen Verteidigungsministeriums hat die ukrainische Armee im Kampfgebiet insgesamt 27 Buk-Raketensysteme in Stellung gebracht. Zwar hatten die Separatisten diese Woche ein ukrainisches Militärdepot erobert, nach eigenen Angaben dabei jedoch keine Buk-Raketen erbeutet. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft bestätigte inzwischen, vermutet aber, Moskau habe die pro-russischen Milizen beliefert.

Das und einschlägige westliche Vorwürfe, so Putins Pressechef, seien „Dummheiten“.  Weitere Erklärungen dazu werde es deshalb nicht geben, sagte er dem britischen Guardian. Die USA würden in letzter Zeit eine „extrem unkonstruktive Politik“ betreiben, ihr Vorgehen sei unberechenbar.

Putin hatte Donnerstagabend, gleich nachdem er selbst vom russischen Flugsicherungsdienst über das Drama informiert worden war, auch US-Präsident Barack Obama verständigt. Dieser sagte der Ukraine inzwischen allseitige Unterstützung bei der Aufklärung zu. Moskau wähnt darin offenbar Vorverurteilung.

Die alleinige Verantwortung, so der Politikwissenschaftler Igor Bunin vom Moskauer Zentrum für politische Technologien, liege bei den Separatisten. Wie sich die Lage weiter entwickelt, hänge jedoch in hohem Maße von Moskau ab.

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