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Politik: Achse der Aufmüpfigen

Aznar will gemeinsam mit Polen eine „strategische Partnerschaft“ in der EU schmieden

In seinen letzten Amtswochen bastelt Spaniens scheidender Regierungschef José Maria Aznar besonders eifrig an seinem Platz in den Geschichtsbüchern. Sein jüngster Coup: Eine neue strategische Macht-Achse gemeinsam mit Warschau als Gegengewicht zum deutsch-französischen Duo. Polen wird am 1. Mai EU-Mitglied. Gemeinsam mit Polen, kündigte Aznar am Samstagabend in Warschau an, werde Spanien nun eine „strategische Partnerschaft auf der internationalen Bühne und besonders in einer erweiterten Europäischen Union" schmieden. Unterdessen trafen sich im ostpolnischen Bialowieza der Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz und seine spanische Kollegin Ana Palacio am Sonntag zu einem privat gehaltenem Treffen.

Einen Vorgeschmack darauf, was diese Achse der Aufmüpfigen in der Praxis bedeutet, bekam die EU bei den Verhandlungen um die europäische Verfassung zu spüren: Madrid und Warschau blockierten eine Einigung um den europäischen Zukunftsvertrag, weil sie ihre Machtambitionen in Form von Blockademöglichkeiten im EU-Ministerrat nicht ausreichend gewürdigt sahen. Aznar wie Polens Ministerpräsident Leszek Miller, deren Länder zusammen mit rund 80 Millionen gerade so viele Einwohner aufbringen wie Deutschland, ließen durchblicken, dass sie nicht gedenken, in diesem Aufstand der mittleren Mächte gegen die großen einzuknicken. Deutschland, Frankreich und andere Länder verlangten hingegen die Einführung der doppelten Mehrheit, die den großen EU-Staaten mehr Gewicht bei Ratsentscheidungen geben würde. Danach müsste eine einfache Mehrheit der EU-Staaten zugleich mindestens 60 Prozent der gesamten EU-Bevölkerung repräsentieren.

Akt zwei dieser „strategischen Partnerschaft" der Unzufriedenen dürfte bei den in diesem Jahr beginnenden Verhandlungen um die EU-Finanzen aufgeführt werden. Spanien, bisher größter EU-Subventionsempfänger, und Polen, der künftige größte Hilfsempfänger, stemmen sich mit aller Kraft gegen die nicht nur von Berlin und Paris gewünschte Deckelung der EU-Ausgaben.

Aznar, der in den EU-Haushaltsverhandlungen unter europäischen Diplomaten den Beinamen „Senor No" erhielt, kündigte entsprechend die „konsequente Hilfe" für Polen „im Verhandlungsprozess mit der EU" an. Denn was für Polen gut ist, hilft auch Spanien.

Im Irak marschieren Spanien und Polen bereits gemeinsam, wo die beiden Nato-Staaten mit rund 3700 Soldaten den Sektor „Zentraler Süden" zu kontrollieren versuchen. Ein Einsatz, der wegen der gespannten Sicherheitslage wesentlich länger und teurer als geplant werden dürfte.

Aus diesem Grund werden auch die Hilferufe aus Madrid und Warschau an die Nato lauter. Doch Aznars Vision in Sachen Spanien reicht noch weiter. Über den Atlantik, wo er in den letzten Jahren eine enge Allianz mit den USA knüpfte. „Präsident Bush kann auf mich zählen", versicherte er in der vergangenen Woche in Washington. Und der Spanier fügte stolz hinzu, dass das Aznar-Land unter seiner Führung zum „Bindeglied zwischen Europa und den USA" gewachsen sei.

Ralph Schulze[Madrid]

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