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Politik: Achtung, Herrschende!

Das Ereignis führt hier im Nordosten des Landes immer wieder zu Missverständnissen. Millionen von Rheinländern können sich kaum halten vor Begeisterung über die Rosenmontagszüge – und wir Karnevalsignoranten von der Spree sehen fassungslos zu: Was soll das denn?

Das Ereignis führt hier im Nordosten des Landes immer wieder zu Missverständnissen. Millionen von Rheinländern können sich kaum halten vor Begeisterung über die Rosenmontagszüge – und wir Karnevalsignoranten von der Spree sehen fassungslos zu: Was soll das denn? Wer findet so was komisch?

Deshalb hier vorab ein paar Worte der Erklärung: Sinn des Rosenmontagsumzugs ist es, den Herrschenden schonungslos und provozierend den Spiegel vom Gesicht zu reißen, beziehungsweise die Maske vorzuhalten. Tabus werden gleich serienweise gebrochen, und keiner, und sei er noch so mächtig, wird dabei verschont. Die Grenzen der Satire werden gesprengt und gesprengt, bis es den Karikierten wie Schuppen … Na, so in dieser Art.

Wie gerüchteweise zu hören ist, werden die Karnevalisten in diesem Jahr nicht einmal davor zurückschrecken, SIE persönlich aufs Korn zu nehmen: Angela Merkel. Schlechte Topffrisur, enges Domina-Kostüm aus schwarzem (erkannt? Die CDU-Farbe!) Leder, dazu vor ihr im Staub am kurzen Zügel die Herren Bush und Putin. Bush, das ist der mit Cowboyhut, Colts und US- Flagge. Putin wird durch die Faust am Ölhahn demaskiert; dass er eine leuchtende polnische Flagge in der anderen Hand trägt, fordert den ganzen Karnevalsexperten, der darin eine subtile Anspielung erkennt, wie sie riskanter kaum sein könnte. Wie hieß gleich dieses teuflisch strahlende Gift?

Oh, auch der Palästinakonflikt wird zum entlarvenden Bild gerinnen. Zwei vermummte Araber, die sich gegenseitig beschießen und dabei von einem Mann mit Davidstern an Marionettenfäden geführt werden – das wäre fast schon ein gespielter Leitartikel. Eventuell ließe sich in die israelische Faust noch eine große Moralkeule arrangieren, auf der das Wort „antisemitisch“ steht – ein kritisch-politischer Superknaller für den Karnevalsgourmet, der ja bei aller Narrenfreiheit auch irgendwann mal einen Schlussstrich gezogen sehen will.

Es ist nicht einmal auszuschließen, dass auch höhere Wesen ins Visier der Umzugsunternehmer geraten, oder, sagen wir, deren irdische Stellvertreter. Vor zwei Jahren gab es Kardinal Meisner in Pappe, wie er unter einer abtreibungswilligen Frau den Scheiterhaufen entzündete, aber das hat dann doch zu viel Ärger gegeben – wer weiß, ob sie in Rom nicht doch so eine Art Fatwa zustande bekommen? Das Thema Islamismus, oh nein, das wird auch dieses Jahr gemieden, um nicht die falschen religiösen Gefühle zu verletzen. Hinterher gibt es auf alle Fälle reichlich Bier. Und das ist ja auch eine Art Kritik am Islamismus, nicht wahr?

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