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Politik: Achtung, wir starten

Von Gerd Appenzeller

Urteile, die Kläger und Beklagte zufrieden stellen, gibt es nicht. Die Bürgerinitiativen, die den Bau des neuen Flughafens in Schönefeld verhindern wollten, können mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig nicht zufrieden sein – BBI, Berlin-Brandenburg International, darf gebaut werden. Aber auch die Unternehmer, die auf einen 24-Stunden-Betrieb des neuen Airport gehofft hatten, und ihre Interessenvertreter in der Politik, beklagen sich – die Richter verbieten Flüge zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens, und sie haben eine rigorose Verschärfung des Lärmschutzes angeordnet. Der neue Flughafen, das steht nun fest, wird nicht billig zu haben sein. Dennoch ist Berlin einen großen Schritt weiter. Wer andere deutsche Flughäfen kennt, weiß, wie groß der Berliner Rückstand in der Infrastruktur des Luftverkehrs ist.

Die Richter haben ein exemplarisches, vorwärts weisendes, man könnte sagen: ein weises Urteil gesprochen. Zwei Leitlinien sind dabei entscheidend. Zum einen bestätigt das Bundesverwaltungsgericht die Dominanz der Politik bei planerischen Abwägungen. Diese habe sich, betonen die Richter ausdrücklich, „rechtsfehlerfrei“ verhalten. Eine Regierung darf entscheiden, an welchem Ort sie wichtige Infrastrukturprojekte durchsetzen will. Sie muss diese Entscheidung vernünftig begründen, aber sie muss nicht in einem langwierigen negativen Ausschlussverfahren zahlreiche Standorte abwägen und verwerfen. Sperenberg wäre im Hinblick auf Lärmschutz der bessere Platz für den neuen Flughafen gewesen, aber Schönefeld ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geeigneter. Hier ist die Verkehrsinfrastruktur weitgehend vorhanden, hier zeichnen sich deutlich stärkere Wachstumsimpulse ab.

Daraus aber, und das ist der zweite Lehrsatz dieses Urteils, ergibt sich kein Recht auf großspurige oder selbstherrliche Planung. Wer nahe einer Stadt einen Flughafen baut, der darf ihn nicht größer projektieren als nötig, und er muss auf die Lebensqualität der Anlieger mehr achten, als plane er im menschenleeren Gelände. Das heißt für Schönefeld: Nachtflugverbot und weit mehr Lärmschutz als ursprünglich vorgesehen. Hier legt das Urteil für künftige Planungen die Messlatte hoch. Das ist gut für alle, die in der Nähe eines Flughafens wohnen.

Verschärfte Auflagen machen den Flughafen teurer, wird nun beklagt. Das ist richtig, doch beide Restriktionen waren vorhersehbar. Vermutlich hat die Post-Tochter DHL bereits mit dem kommenden Nachtflugverbot gerechnet, als sie beschloss, ihren Betrieb nach Leipzig zu verlagern. Auch ohne die Einschränkungen wäre aus dem neuen Flughafen vermutlich kein drittes deutsches Drehkreuz geworden. Als sich Berlin und Brandenburg 1994 noch über den Standort für BBI stritten, hatte München schon längst den Betrieb aufgenommen. Dass sich später bereits weit vorangetriebene Investitionsplanungen plötzlich in Luft auflösten, kann man auch nicht dem deutschen Verwaltungsrecht anlasten.

Jetzt aber sollte nicht mehr zurück, sondern nur noch nach vorne geschaut werden. Die beteiligten Ministerien müssen die Aufhebung des Baustopps beantragen, sonst ist der Zeitrahmen nicht zu halten. Und Berlin wird sich flugs mit der Frage befassen müssen, was mit den riesigen innerstädtischen Flächen der Flughäfen Tempelhof und Tegel, diesen beiden gigantischen grünen Lungen, künftig geschehen soll. Denn dass es diese beiden Airports nach 2011 nicht mehr geben wird, steht auch fest.

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