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Muslimbrüder

© AFP

Ägypten: Mit dem Islam gegen das Regime

Die Muslimbrüder, Ägyptens größte Oppositionsbewegung, entwickeln erstmals ein Parteiprogramm. Die Ideen haben den Brüdern, die sich zunehmend demokratisch geben, viel Kritik eingebracht.

Die mächtigste Oppositionsbewegung Ägyptens, die Muslimbrüder, erörtert zum ersten Mal in einer Art Parteiprogramm ihre konkreten politischen Pläne. Bisher ergehen sich die Muslimbrüder in eher unklaren Slogans wie „Der Islam ist die Lösung“. Doch im ersten Entwurf eines möglichen Parteiprogramms, der an 50 ägyptische Intellektuelle verschickt wurde, und deren Anregungen in der endgültigen Fassung aufgehen sollen, geben sie konkrete Hinweise, wie sie Ägypten regieren würden, kämen sie an die Macht.

Die Bewegung ist offiziell verboten, wird aber geduldet; mehr als 80 Abgeordnete im Parlament vertreten ihre Ideen. Das Parteiprogramm beinhaltet nun unter anderem Folgende: Frauen und Christen sind von den Ämtern des Präsidenten und des Premiers ausgeschlossen; ein Geistlichenrat soll die Arbeit des Parlaments begleiten und dessen Vorstellungen die „empfohlenen“ sein sollten.

Diese Ideen haben den Brüdern, die sich selbst zunehmend als demokratische Reformer porträtierten, viel Kritik eingebracht. Säkulare Demokraten, die sich für eine Legalisierung der Gruppe im Kampf gegen Ägyptens reformunwilliges Regime einsetzen, zeigten sich enttäuscht.

Die Muslimbruderschaft ist die mächtigste Oppositionsbewegung in Ägypten, deren Ideologie auch islamistische Bewegungen in anderen arabischen Ländern maßgeblich beeinflusst hat. Die 1928 von dem Lehrer Hassan al Banna gegründete Bewegung setzt zunächst auf eine Wiederbelebung islamischer Werte und Moral durch Erziehung und karikative Werke. Weiterentwickelt wurde die Ideologie in den 50er und 60er Jahren durch Sayyed Qutb, der den gewaltsamen Sturz muslimischer Herrscher rechtfertigte, wenn diese offensichtlich gegen islamische Prinzipien verstoßen. Die ägyptische Bruderschaft lehnt offiziell Gewalt ab, aber Qutbs Ideen sind bis heute die ideologische Basis islamistischer Bewegungen weltweit.

Der jetzt vorgelegte Programmentwurf bedeutet für den Direktor des Al-Ahram-Zentrums für strategische und politische Studien, Abdel Moneim Said, „den Aufbau eines religiösen Staates. Der zivile Staat wird ermordet.“ Der Ägypter Amr Hamzawy vom US-Think-Tank „Carnegie Endowment for International Peace“ kritisiert die Idee eines religiösen Expertengremiums: „Dies ist eine entscheidende Abkehr von den moderateren Positionen, die die Führung der Bruderschaft zuletzt vertreten hat.“ Sie hatte versichert, nur das Verfassungsgericht könne über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen entscheiden, und die Idee eines religiösen Kontrollorgans abgelehnt. Der Ausschluss von Christen von höchsten politischen Ämtern verletze das Prinzip des Staatsbürgertums, das die Bruderschaft akzeptiert zu haben schien, schreibt Hamzawy im Arab Reform Bulletin weiter.

Der Vizeführer der Muslimbrüder, Mohammed Habib, antwortete auf der Website der Bewegung: In dem Paragraphen zum Expertengremium der Geistlichen habe sich ein „Fehler“ eingeschlichen. Die Ansichten des Rates hätten nur beratenden Charakter. Allein das Parlament habe das Recht, Gesetze zu erlassen. Damit sei auch der Vorwurf hinfällig, der Rat sei eine „Kopie“ der religiösen Instanzen im Iran, die Gesetze auf ihre Konformität mit der Scharia prüfen und ablehnen können. Habib versicherte, dass selbst Kernideen des Programms weiter diskutiert und noch grundlegend verändert werden könnten.

Der jetzige Entwurf scheint aber die Stärke des konservativen Flügels und dessen Fokus auf die Religion in der Bewegung widerzuspiegeln. „Konservative haben die Mehrheit in der Gruppe“, schreibt der Blogger Abdel Moneim Mohammed, ein junger Aktivist der Muslimbrüder, der den Entwurf kritisch sieht. Amr Hamzawy moniert zudem, dass die jüngsten Debatten unter den Abgeordneten der Muslimbrüder keinen Widerhall fänden. Diese wollen eine Partei funktional von der Bewegung trennen. Die Partei würde sich um Politik und die Bewegung um religiösen Aktivismus kümmern. In dem Programmentwurf werde das Verhältnis beider Organisationen nur am Rande gestreift, kritisiert Hamzawy. Er erklärt diese „Rückschritte“ mit dem derzeitigen harschen Vorgehen des Regimes gegen die Muslimbrüder. Seit ihrem guten Abschneiden bei den Parlamentswahlen 2005 werden fast wöchentlich Dutzende Aktivisten festgenommen, viele Führungskräfte wurden angeklagt. Das traditionelle Ramadan-Fest der Bruderschaft, bei dem sich früher viele Regimegrößen zeigten, wurde in diesem Jahr verboten. In einem solchen Umfeld sei des „sehr unwahrscheinlich“, dass religiöse Oppositionsgruppen sich vollständig öffnen und „demokratische Normen und Prinzipien übernehmen“, so Hamzawy.

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