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Starker Mann. Verteidigungsminister al Sissi trat vorerst nicht zurück.

© Reuters

Ägypten: Was kommt nach der Übergangsregierung?

Und was macht Armeechef al Sissi? Ägypten steckt tief in einer Wirtschaftskrise – nach dem Abgang des Kabinetts al Beblawi könnte sich der innenpolitische Kurs verschärfen.

Die letzte Kabinettssitzung dauerte noch 15 Minuten, dann eilte Ägyptens Übergangspremier Hazem al Beblawi zu Übergangspräsident Adly Mansour und erklärte den Rücktritt der Regierung. „Angesichts der gegenwärtigen Situation, die das Land durchmacht“, hätten er und seine Minister sich zu diesem Schritt entschlossen, erläuterte Beblawi die Entscheidung, die offenbar auch Teile seines Kabinetts überraschte. Knapp acht Monate hatte der 77-Jährige nach dem Sturz von Mohammed Mursi die Staatsgeschäfte geführt. Nach Informationen der staatlichen Zeitung „Al Ahram“ ist als Nachfolger der bisherige Wohnungsbauminister Ibrahim Mahlab im Gespräch. Ob sich auch Ägyptens starker Mann, Verteidigungsminister und Armeechef Abdel Fattah al Sissi, sowie der umstrittene Innenminister Mohammed Ibrahim der Demission anschließen, blieb unklar. Beide gelten als Verfechter einer harten Hand nicht nur gegen die Muslimbrüder, sondern auch gegen Demokratieaktivisten.

Milliarden vom Golf

Mit ausschlaggebend für die Regierungskrise sind offenbar die überhand nehmenden Wirtschaftsprobleme Ägyptens, die sich in den zurückliegenden Monaten lediglich durch 14 Milliarden Dollar Finanzhilfe aus den Golfstaaten Saudi-Arabien, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten übertünchen ließen. Zahlreiche Branchen streiken, angefangen bei den Ärzten in staatlichen Krankenhäusern über die Busfahrer in Kairo bis hin zu Polizisten in Oberägypten, die nicht mehr länger für die mageren Löhne ihr Leben riskieren wollen. Die meisten Opfer von Terroranschlägen in den letzten Monaten waren Polizisten, die an Straßensperren oder vor öffentlichen Gebäuden niedergeschossen wurden.

Stromausfälle belasten das Land

Zudem wird das Land erstmals auch in der Winterzeit von Stromausfällen geplagt. Der Regierung fehlt das Geld, um ausreichend Gas und Diesel für die 220 Kraftwerke zu importieren. Das zuständige Ölministerium allein ist bei ausländischen Energiekonzernen mit mehr als fünf Milliarden Dollar verschuldet. Gleichzeitig verlegte sich die Übergangsregierung Beblawi angesichts der wachsenden öffentlichen Frustration auf immer neue populistische Geldgeschenke wie Mindestlohn für alle oder höhere Renten. Die Zusatzausgaben haben die Staatsverschuldung mittlerweile so hochgetrieben, dass bei ägyptischen Banken eine Kreditklemme für den privaten Sektor entstanden ist. Eine Folge ist, dass die Arbeitslosigkeit mittlerweile offiziell bei 13 Prozent liegt, unter jungen Leuten sogar deutlich über 30 Prozent.

"Kampf gegen den Terror"

Der Rücktritt offenbart auch einen wachsenden Dissens in den Reihen der von den Generälen installierten Zivilführung über den künftigen politischen Kurs. Während Sissi und Ibrahim einen „Kampf gegen den Terror“ ausgerufen haben, der Tausende hinter Gitter und in die Folterkeller gebracht hat, gab es im übrigen Kabinett auch moderatere Stimmen, die der wachsenden Konfrontation mit politischen Kompromissen begegnen wollten. Bekanntester Vertreter war Vizepremier Ziad Bahaa-Eldin, der bereits Mitte Januar nach dem Verfassungsreferendum zurücktrat.

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