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Friedlicher Widerstand. Zwei Jungen halten bei einem Protestmarsch zum Präsidentenpalast von Mohammed Mursi in Kairo ein Kruzifix und eine Kopie des Koran in der Hand.Foto: dpa

© dpa

Politik: Ägyptens Armeechef sagt Treffen mit Parteien ab Juristen verweigern Aufsicht bei Referendum

Kairo - Die Lage in Ägypten wird immer verworrener, das Handeln von Führung und Opposition immer bizarrer und unkoordinierter. Nachdem Armeechef Abdel Fattah al Sissi am späten Dienstagabend alle politischen Parteien und Lager zu einem Runden Tisch in eine Kaserne am Stadtrand von Kairo gebeten hatte, sagte die Militärführung am Mittwoch das Treffen zwei Stunden vor Beginn überraschend ab und verschob es auf unbestimmte Zeit.

Kairo - Die Lage in Ägypten wird immer verworrener, das Handeln von Führung und Opposition immer bizarrer und unkoordinierter. Nachdem Armeechef Abdel Fattah al Sissi am späten Dienstagabend alle politischen Parteien und Lager zu einem Runden Tisch in eine Kaserne am Stadtrand von Kairo gebeten hatte, sagte die Militärführung am Mittwoch das Treffen zwei Stunden vor Beginn überraschend ab und verschob es auf unbestimmte Zeit. Die Reaktionen auf die Initiative seien „nicht so ausgefallen, wie das wünschenswert gewesen wäre“, hieß es zur Begründung auf der Facebook- Seite der Streitkräfte. Völlig unklar ist jedoch, was dies für die nächsten Tage zu bedeuten hat. Offiziell ihre Teilnahme zugesagt hatten zuvor Präsident Mohammed Mursi, die Spitze der Muslimbruderschaft sowie die drei maßgeblichen Repräsentanten der Opposition, Friedensnobelpreisträger Mohammed al Baradei, Ex-Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, sowie der ehemalige Präsidentschaftskandidat des links-säkularen Lagers, Hamdeen Sabahi.

Parallel dazu meldete die staatliche Website „Al Ahram“, die Abstimmung über das Referendum werde nun auf zwei Tage verteilt, kommenden Samstag und Samstag nächster Woche, den 22. Dezember. Dagegen erklärte der Generalsekretär der Wahlkommission, Zaghloul al Balshi, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, die Wahlkommission plane nicht, die Abstimmung an zwei Tagen abzuhalten. Noch eine Woche zuvor nach den schweren Ausschreitungen vor dem Präsidentenpalast mit neun Toten hatte Zaghloul al Balshi mit großer Geste im Fernsehen seinen Rücktritt verkündet, weil er nicht einer Abstimmung vorstehen wolle, „für die ägyptisches Blut geflossen“ sei.

Die rund 580 000 wahlberechtigten Auslandsägypter begannen unterdessen am Mittwoch, in den 150 diplomatischen Vertretungen ihres Landes ihre Stimme abzugeben. Daheim in Ägypten gab der einflussreiche „Klub der Richter“ nach einer Mitgliederversammlung in Kairo bekannt, 90 Prozent der Juristen weigerten sich, den Urnengang zu überwachen. Für das Referendum sind in ganz Ägypten etwa 13 000 Wahllokale vorgesehen, die alle von jeweils einem Richter kontrolliert werden müssen. Die in der „Nationalen Rettungsfront“ zusammengeschlossene Opposition nahm nach stundenlangen Beratungen Abstand von ihrem bisherigen Boykottaufruf und fordert nun ihre Anhänger auf, bei der Volksbefragung mit „Nein“ zu stimmen. Man werde aber den Boykottaufruf sofort wieder aktivieren, sollte das Votum nicht von der Justiz überwacht oder an zwei unterschiedlichen Tagen abgehalten werden, hieß es in dem Memorandum.

Ähnlich chaotisch und amateurhaft präsentierte sich zuletzt auch die ägyptische Regierung unter Ministerpräsident Hisham Qandil. Am Sonntag gab sie eine Erhöhung bei den Verbrauchssteuern, eine Reform der Einkommensteuer sowie die Einführung einer Immobiliensteuer bekannt, die praktisch alle Teile der Bevölkerung getroffen hätten. Noch in derselben Nacht, um zwei Uhr früh, blies Präsident Mohammed Mursi auf Druck der Muslimbruderschaft das ganze Unternehmen per Facebook wieder ab.

Die Steuerreform, die die Staatseinnahmen deutlich verbessern soll, gehört zum Verhandlungspaket mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und ist Voraussetzung für die Bewilligung eines 4,8 Milliarden Dollar Kredits, den Ägypten wegen seiner enormen Haushaltslöcher dringend braucht. Zudem sind mit dem IWF- Kredit Finanzzusagen weiterer Geldgeber in Höhe von mindestens 14 Milliarden Dollar verknüpft, die die Wirtschaft ankurbeln sollen. Im Kabinett herrsche Panik, zitierten ägyptische Medien Mitarbeiter aus Regierungskreisen. Inzwischen hat der IWF auf Bitten von Premier Qandil die ursprünglich für den 19. Dezember terminierte Kreditzusage ins nächste Jahr verschoben. Martin Gehlen

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