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Der ägyptische Staatspräsident al Sisi und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin.

© AFP

Update

Ägyptischer Staatschef in Berlin: Eklat im Kanzleramt bei Besuch von al Sisi

Oppositionelle und regimetreue Journalisten brüllen sich im Kanzleramt an. Angela Merkel wirkt erstaunt. Vor der Tür geraten Demonstranten aneinander. Der Besuch des umstrittenen ägyptischen Staatspräsidenten Abdelfatah al Sisi verläuft nicht störungsfrei.

Normalerweise laufen Pressekonferenzen im Kanzleramt recht gesittet ab. Bis kurz vor Schluss sah es auch beim Besuch des umstrittenen ägyptischen Staatspräsidenten al Sisi so aus. Doch dann ergriff eine oppositionelle ägyptische Journalistin, die die ägyptische Seite eigentlich gar nicht dabei haben wollte, lautstark das Wort. Sie skandierte: "Es lebe die Freiheit, es lebe die Demokratie." Sie nannte Sisi "Mörder" forderte ein Ende der Militärherrschaft. Andere regimefreundliche ägyptische Journalisten brüllten noch lauter zurück: "Es lebe Ägypten, es lebe al Sisi." Der ägyptische Präsident lächelte die Situation weg, Merkel blickte irritiert. Beide Politiker wurden in Sicherheit gebracht. Die oppositionelle Ägypterin wurde vom Sicherheitsdienst unter Protest abgeführt.

Auch vor dem Kanzleramt gerieten Unterstützer al Sisis und Oppositionelle aneinander. Die Polizei musste dazwischen gehen. Die Stimmung zwischen Kanzleramt und Paul-Löbe-Haus ist angespannt.

Inhaltlich hob Bundeskanzlerin Angela Merkel die strategische Bedeutung Ägyptens für den Frieden im Nahen Osten und den Kampf gegen den islamistischen Terrorismus hervor. Nach einem Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi sagte Merkel am Mittwoch in Berlin, Deutschland werde alles tun, damit Ägypten seine Stabilität sichern und die Wirtschaft florieren könne. Merkel kritisierte aber auch die hohe Zahl von Todesurteilen in Ägypten. „Deutschland lehnt die Todesstrafe ab“, sagte sie. Auch die Beschränkungen der Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo hob die Kanzlerin kritisch hervor.

Während sich die ägyptischen Pressevertreter abstimmten an welchen Stellen sie für Präsident Sisi laut oder lauter applaudieren, nutzten deutsche Journalisten die kurze Pressekonferenz, um ihre Fragen zur Causa Blatter und zur Griechenlandkrise loszuwerden.

Eine offensichtliche Regimegegnerin schreit am 03.06.2015 am Ende einer Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem ägyptischen Präsidenten al Sisi im Bundeskanzleramt in Berlin und wird von Sicherheitsleuten weggedrängt.
Eine offensichtliche Regimegegnerin schreit am 03.06.2015 am Ende einer Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem ägyptischen Präsidenten al Sisi im Bundeskanzleramt in Berlin und wird von Sicherheitsleuten weggedrängt.

© dpa

Am Vormittag hatte al Sisi Bundespräsident Joachim Gauck getroffen. Beide sind ungefähr gleich groß, im Gleichschritt nehmen sie routiniert die Parade ab. Militärische Ehren der Bundeswehr für den obersten Kommandeur der ägyptischen Armee, so oder so ähnlich mag es der ägyptische Präsident Abdel Fattah al Sisi. Für den hohen Gast aus Kairo hat das Bundespräsidialamt den roten Teppich ausgerollt, eine Berliner Schulklasse eingeladen, den Kindern Papierfähnchen in die Hände gedrückt. Bundespräsident Joachim Gauck lächelt durchgehend pastoral. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte ein zunächst geplantes Treffen mit dem Staatsgast abgesagt - wegen der Verfolgung Oppositioneller und der vielen Todesurteile in Ägypten.

Die guten Demo-Plätze, direkt vor dem Haupteingang des Schlosses Bellevue, haben ein paar Anhänger des ägyptischen Präsidenten bekommen. Sie rufen den Wahlslogan von Sisi: "Lang lebe Ägypten!" Es wird lauter als das "Oh! Wir lieben dich Sisi" angestimmt wird. Die wenigen Muslimbrüder und Muslimschwestern abseits des Geschehens am Parkrand von Bellevue hört man vom Sitz des Bundespräsidenten nicht. Ein paar ägyptische Journalisten beschweren sich, dass "die" überhaupt hier sein dürfen.

Wilkommen am Schloss Bellevue: Ägyptens Staatspräsident al Sisi (links) bei Bundespräsident Gauck.
Wilkommen am Schloss Bellevue: Ägyptens Staatspräsident al Sisi (links) bei Bundespräsident Gauck.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Doch Sisi hat mehr als nur ein persönliches Empfangskomitee mitgebracht. An einem Berliner Straßenrand stehen zum Beispiel Yusra und Ilham Shahin: Die B-Prominenz aus Kairo singt und tanzt und lacht in die Kameras. "Sisi ist mein Präsident", schreit jemand aus der kleinen Gruppe. Ägyptische Fähnchen wehen in der Morgenbrise. Als Sisis Autokorso passiert, flippen die Sängerinnen und Schauspieler aus Ägypten aus. Woher sie wohl die Route des Präsidenten kennen?

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Moderiert wird die besondere Empfangszeremonie vom regimefreundlichen Journalisten Ahmed Mousa. Er wurde erst vor einigen Tagen wegen Beleidigung kritischer Journalisten in seiner Fernsehsendung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Es ist noch unklar, ob er Berufung einlegen kann oder nicht. Für Sisi-treue Journalisten wie Mousa gelten aber sowieso andere Maßstäbe. Damit er Sisi in Berlin begrüßen kann, wurde sein Reiseverbot wegen des noch laufenden Verfahrens kurzerhand aufgehoben. Dies ist die ägyptische Version der Pressefreiheit.

Dagegen beschweren sich Demonstranten, die gegen den Besuch von Sisi in Berlin protestieren wollen, dass ihre Möglichkeiten dafür eingeschränkt würden. "Die Polizei schiebt uns ab, an den Rand", sagt Ali, einer der Organisatoren. Die Gegner des Präsidenten fühlen sich diskriminiert. Ali trägt ein gelbes T-Shirt mit dem Symbol der Muslimbruderschaft. Dann kommt ein Dutzend Polizisten auf ihn zu: "Ihre Veranstaltung findet jetzt am Brandenburger Tor statt, bitte verlassen Sie das Gelände des Bundeskanzleramtes unverzüglich", sagt ein Polizist. Vor dem Regierungssitz von Angela Merkel dröhnt derweil der Lautsprecher der Sisi-Fans. Am Mittag wurde al Sisi dort von der Bundeskanzlerin empfangen.

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Am Rand des Staatsbesuchs gab es am Nachmittag einen Zwischenfall am Flughafen Schönefeld. Gegen 14.40 Uhr verzögerten zwei Männer die Abfahrt hochrangiger ägyptischer Diplomaten in Richtung Stadtzentrum. Der ägyptische Präsident war aber nicht vor Ort.

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