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Politik: Ändert euch nur selbst

Von Stephan-Andreas Casdorff

Wie war das noch, als Bill Clinton die Präsidentschaft übernahm? Don’t stop thinking about tomorrow – so schallte es aus allen Lautsprechern. Nun, in den USA gibt es noch immer eine große Zahl von Menschen, die an das Morgen denken will. Gestern ist vorbei. Und weil George W. Bush, Clintons Nachfolger im Amt, damit kalkuliert, weil er außerdem jetzt weit über sein politisches Lager hinausreichen will, hat er sich zum Auftakt seiner Europatour nicht als Struktur, sondern als Wertkonservativer gezeigt. Mit der Erkenntnis: Wer bewahren will, muss verändern, um das zu bewahren, was ihm wichtig ist. Das könnten in seinem Land die Demokraten unterschreiben, in Deutschland die Sozialdemokraten.

Was zu bewahren sich lohnt, ist die transatlantische Partnerschaft, aber eben verändert. Bush hat das auch in seiner Brüsseler Rede gesagt, indem er anerkannte, dass Amerika und Europa die Geschichte wieder gemeinsam auf einen Kurs der Hoffnung bringen könnten. Ein starkes Europa, das Amerika unterstütze, weil es einen starken Partner brauche. Das hallt nach: ein starkes Europa als ein Partner. Ja, das ist die Chiffre, die Hoffnung bringt. Dem Bundeskanzler und all denen, die mit ihm der Meinung sind, dass das transatlantische Verhältnis verändert werden muss, nicht nur die Nato.

Das offizielle Washington, die Administration, hat bisher eher Misstrauen gegenüber der Europäischen Union gehegt. Die Nato ist ja so viel einfacher zu handhaben. Man trifft sich vier Mal im Jahr, groß debattiert wird nicht, Streitkultur ist ein Fremdwort, weil ja auch die Aufgabe im Grunde eindimensional ist – Verteidigung und Sicherheit. Und im Wesentlichen bestimmt der eine Staat, der gleicher ist als die anderen.

Dagegen die EU: Da fliegen die Fetzen, 25 reden durcheinander, außerdem maßen sich einige in der Union strategische Ebenbürtigkeit mit den USA an. Dann dieser breite Ansatz, von Verteidigung über Sicherheit, Umwelt bis hin zu Handelsfragen, mit denen sich Hundertschaften von Beamten befassen. So ist denn das Verhältnis zueinander seltsam distanziert geblieben; der Atlantik war mehr ein tiefer Graben denn ein großer Teich, der die Staaten verband. Der Präsident benötigt nie sehr viele Sätze für eine Botschaft. Seine jetzt in Brüssel, dort, wo Nato und EU zu Hause sind, bedeutet Veränderung. Bedeutet, zusammengefasst: Let’s try it. Wenn das nichts ist.

Es liegt an Europa, den Versuch für sich zu nutzen. Es liegt am Kanzler, für seine außenpolitische Agenda zu werben. Oder anders: Sicherheit im Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten so zu definieren, dass nicht neues Misstrauen die Folge ist, sondern dass anschließend das Angebot von 1989, Partner in der Führung der westlichen Wertegemeinschaft zu sein, wiederkehrt. Und sich auf Deutschland, eingebettet in Europa, bezieht. Wenn das keine Veränderung im transatlantischen Verhältnis wäre.

Schröder hat in Mainz sechs Stunden Zeit, sich selbst und Deutschland, aber mehr noch Europa einen Dienst zu erweisen. Er wird sich bewegen müssen, damit Bush sich weiter auf Europa zubewegt. Der Kanzler wird Zusagen machen müssen, die seinen Willen deutlich zeigen, dieses neu begründete transatlantische Verhältnis so zu stärken, dass es bei allen Herausforderungen stabil und intakt bleibt. Wer mehr mitsprechen will, wie der Kanzler, der muss mehr mitwirken. Gemeinsamkeit zeigt sich in der Praxis, bei der Förderung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, der Bildung. Wenn Schröder zustimmt, dass der Irak die jüngste Demokratie ist, wie Bush in Brüssel gesagt hat – dann darf Deutschland nicht beiseite stehen.

Die Briten bauen schon eine politische Brücke: das Verbindungsbüro in Bagdad für eine EU-Mission, die helfen soll, mehr als 700 Richter, Staatsanwälte und Gefängnisaufseher auszubilden. Und wer, wenn nicht die Deutschen, die im Wiederaufbau Weltmeister sind, könnten besonders gut helfen?

Diese Frage wird sich der Präsident stellen. Der Kanzler sollte sie ungefragt beantworten. Denn das ist klar: Morgen ist schon da.

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