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Wieder Ärger in der Koalition: Gesundheitsminister Philipp Rösler.

© dapd

Ärzte aufs Land: Umstrittene Praxis

Die Regierung möchte mehr Ärzte aufs Land schicken – bei den Konzepten der Union wittert Gesundheitsminister Philipp Rösler aber Planwirtschaft.

Manche reden von Philipp Röslers eigentlicher Herausforderung. Und auch der FDP-Politiker lässt keinen Zweifel daran, wie wichtig ihm seine „zweite Gesundheitsreform“ ist. Vor hochkarätiger Expertenrunde in einem Berliner Hotel sagte Rösler zu Wochenbeginn, am Ende werde er als Gesundheitsminister nicht nach irgendwelchen Systemveränderungen beurteilt, sondern „daran, ob die Menschen einen Arzt finden und dort einen Termin bekommen“.

Um genau diese „Basics“ geht es bei dem geplanten Versorgungsgesetz, das zum Jahr 2012 in Kraft treten soll. Die Koalition will damit zuvorderst zweierlei: den Ärztemangel in ländlichen Regionen bekämpfen und den „Versorgungsalltag“ der Kassenpatienten verbessern. Damit das gelingt, muss an allen Ecken und Enden reformiert werden: bei der unflexiblen Bedarfsplanung für Ärzte, der Vereinbarkeit von Medizinerberuf und Familie, den Arzthonoraren und ihrer Deckelung, den Inhalten des Medizinstudiums samt seinen Zulassungsbedingungen, der Telemedizin. Hausärzte müssen gestärkt, die Kooperation zwischen Praxisärzten und Kliniken verbessert, nichtärztliche Medizinberufe aufgewertet werden. Außerdem sollen die Patienten schneller Arzttermine bekommen. Und moderne Krankenhäuser vorfinden, in denen sie sich keine Keime einhandeln, mehr Zuwendung als bisher erfahren und auch in angemessenem Komfort betreut werden.

Die Auflistung der Erfordernisse, auf die sich CDU und CSU verständigt haben, umfasst 17 Seiten. Am Dienstagabend diskutierten die Fachleute von Union und FDP erstmals mit dem Minister darüber. Es gebe „noch viele offene Punkte“, hieß es nach vier Stunden, am 17. März werde weiterverhandelt. Das Ziel sei „die richtige Balance zwischen Steuerung und wettbewerblichen Anreizen, um dem Ärztemangel auf dem Land zu begegnen“, sagt Jens Spahn (CDU).

Das spielt darauf an, dass sich die Akteure in einem wesentlichen Punkt uneins sind. Die Union fordert eine exaktere und kleinräumigere Bedarfsplanung. Sie will „sektorenübergreifende Versorgungsausschüsse“, in denen auch die Kommunen mitreden dürfen. Der FDP und ihrem Minister ist das zu dirigistisch. Man dürfe Bürokratie und Planwirtschaft nicht forcieren, warnt Rösler. Mediziner ließen sich nicht in strukturschwache Gegenden beordern. Um dort zu praktizieren, brauchten sie „echte Anreize“. So soll es den Kommunen nach den Plänen des Ministeriums erlaubt werden, Arztpraxen künftig auch als „Eigeneinrichtungen“ zu stellen. Landärzte sollten auf Antrag von der Vorgabe, in der Nähe ihrer Praxis wohnen zu müssen (Residenzpflicht) befreit werden und auch Zweigpraxen betreiben dürfen. Zudem sollten sie bestimmte Aufgaben delegieren können, etwa an Gemeindeschwestern.

Beim Hauptanreiz indessen herrscht unter den Fraktionsexperten Einigkeit. Ärzte in unterversorgten Gebieten sollen für ihre meist deutlich höhere Patientenzahl nicht mehr mit Honorareinbußen bestraft werden, sondern alle Leistungen ohne sogenannte Abstaffelung bezahlt bekommen. Konsens gibt es auch bei der Forderung nach mehr Medizinstudienplätzen und erleichtertem Zugang zum Studium. Die Abiturnote soll dafür eine geringere Rolle spielen, im Gegenzug sollten einschlägige Berufsausbildung und Vorleistungen wie ein freiwilliges soziales Jahr höher bewertet werden. Und bis zu fünf Prozent der Plätze sollten Bewerbern vorbehalten bleiben, die sich auf eine mindestens fünfjährige Arzttätigkeit in einem unterversorgten Gebiet verpflichten.

Das Problem dabei: Die Arztausbildung obliegt nicht dem Bund, er kann nur Wünsche an die Kultusminister äußern. Auch bei allem, was die Kliniken betrifft, müssen die Länder mit ins Boot. Beim Versorgungsgesetz könne sich „der Föderalismus in voller Schönheit beweisen“, sagt Rösler düster. Die nächsten Verhandlungen auf Länderebene sind Ende März. Aber ein Bonbon hält Rösler schon mal parat. Um mehr Medizinstudienplätze zu bekommen, befürwortet er „eine befristete Beteiligung des Bundes an den Kosten“.

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