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Politik: Ärzte-Chef: Mediziner verordnen zu viel

Hoppe kritisiert Verschreibungspraxis und Arzneipreise / Struck rechnet mit Protest der Pharmabranche

Berlin – Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, hat die Verschreibungspraxis deutscher Ärzte kritisiert. „Man müsste die Arzneigläubigkeit, die in Deutschland sehr hoch ist, abbauen – bei Patienten wie bei Ärzten“, sagte Hoppe im Interview mit dem Tagesspiegel. „Wir sollten überlegen, ob man nicht mit weniger auskommen könnte“, mahnte er vor dem Start des Ärztetages am Dienstag in Magdeburg. Deutschland sei ein „Hochpreisland bei Arzneimitteln“, sagte Hoppe weiter, „im Ausland kriegt man vieles günstiger“.

SPD-Fraktionschef Peter Struck kündigte an, die Koalition wolle „wirksame Beschlüsse“ gegen die steigenden Medikamentenausgaben fassen. Im ersten Quartal dieses Jahres seien die Ausgaben um 500 Millionen Euro stärker gestiegen als eingeplant. „Die Kosten für Arzneimittel müssen runter“, sagte der SPD-Politiker der „Bild am Sonntag“. Die gesetzlichen Krankenkassen haben 2005 gut 25 Milliarden Euro für Medikamente bezahlt – mehr als für Ärztehonorare. Gegenüber dem Vorjahr stiegen die Ausgaben um knapp 17 Prozent. Die Koalition hatte deshalb bereits Anfang des Jahres ein Arznei-Sparpaket auf den Weg gebracht, das seit Mai in Kraft ist.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) setzte sich in den Verhandlungen über die Gesundheitsreform dafür ein, künftig in Deutschland Medikamente nicht nur nach ihrem Nutzen zu bewerten, sondern auch nach den Kosten. Die Fachpolitiker von SPD und Union beraten von Montag bis Mittwoch erneut über die Gesundheitsreform. Bisher standen die Strukturen auf der Tagesordnung, über das schwierige Thema der Finanzen soll erst im Juni beraten werden. Eckpunkte für die Reform sollen vor der Sommerpause vorliegen.

Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Struck droht dem deutschen Gesundheitswesen durch die geplante Reform eine neue Protestwelle: „Ich rechne mit einem Proteststurm von Ärzten, Apothekern und Pharmaindustrie, weil wir gewachsene Besitzstände und Pfründe angreifen werden“, sagte Struck. SPD und Union müssten „standhaft sein“, mahnte der SPD-Fraktionschef mit Blick auf die einflussreichen Lobbyisten.

Das Gesundheitsministerium wies am Wochenende Berichte zurück, wonach sich Union und SPD darauf verständigt haben sollen, bei den Arbeitgebern die Einkommensgrenze anzuheben, bis zu der sie für ihre Mitarbeiter Krankenkassenbeiträge zahlen müssen.

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