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Politik: Ärzte drohen mit „gewaltiger Streikwelle“

Tarifverhandlungen vor entscheidender Phase / Uni-Kliniken fühlen sich am Rand des Ruins

Berlin - Deutschlands Patienten drohen im Tarifkonflikt zwischen Klinikärzten und Bundesländern erstmals flächendeckende Dauerstreiks. Werde der Streit nicht an diesem Donnerstag bei einem Spitzengespräch in Dresden gelöst, würden bundesweit sämtliche Universitätskliniken wochenweise bestreikt, kündigten die Mediziner an. Auf die Arbeitgeber werde dann „ab Montag eine gewaltige Streikwelle zukommen“, sagte der Sprecher des Klinikärzteverbandes Marburger Bund (MB), Athanasios Drougias.

Am Dienstagabend war eine weitere Verhandlungsrunde der Tarifparteien in Köln ergebnislos abgebrochen worden. Für das Spitzengespräch kündigten die Arbeitgeber ein neues Angebot an. Knackpunkt sei die geforderte Lohnerhöhung, sagte der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), Hartmut Möllring (CDU). „Im Wesentlichen geht es ums Geld.“ Er forderte die Ärzte zum Einlenken auf und betonte, die Arbeitgeber hätten bereits bis zu 20 Prozent mehr Lohn geboten. „Wenn die Zahl der bezahlten Stunden von 40 auf 48 erhöht wird, dann sind das 20 Prozent“.

MB-Chef Frank Ulrich Montgomery sagte hingegen dem Tagesspiegel, Möllrings Äußerungen seien „von der Wahrheit nicht gedeckt“. Den Ärzten liege bislang kein entsprechendes Angebot vor. Die letzte Verhandlungsrunde in Köln sei ein „Eiertanz“ gewesen, „offensichtlich trauen die Arbeitgeber ihrer eigenen Verhandlungskommission nicht“. Der Ärztefunktionär betonte, dass die Ärzte „im Volumen nicht mehr runtergehen“. Schließlich sei man nur noch „Zentimeter auseinander“ und sich bei Bereitschaftsdiensten, Schichten, Fragen des Grundgehalts, Weihnachtsgeld und Zulagen praktisch schon einig gewesen. Von einer strikten Forderung nach 30 Prozent mehr Gehalt war der Marburger Bund schon zuvor abgerückt und hatte auch die Bereitschaft zu bezahlter Mehrarbeit betont.

Montgomery äußerte sich optimistisch, dass es am Donnerstag zu einer Einigung kommt. „Für den anderen Fall haben wir noch ganz viel im Köcher“, sagte er dem Tagesspiegel. „Und wir hoffen, dass wir die Giftpfeile nicht herausholen müssen.“ Konkret drohte der Verbandschef mit „schmerzhaften Dingen im Zusammenhang mit der Fußball-WM“. Außerdem werde man „noch mehr tun, um Abrechnungen und Erlössituation der Kliniken zu beeinträchtigen“. Gegen die Patienten seien auch ausgeweitete Streiks nicht gerichtet, versicherte Montgomery, Notfälle würden selbstverständlich weiter behandelt. Allerdings bleibe man diesbezüglich bei einer verschärften Auslegung.

Der Verband der Universitätskliniken (VDU) kritisierte beide Tarifparteien. Der Marburger Bund habe Probleme, das richtige Maß zu finden, sagte VDU-Chef Rüdiger Strehl. Die TdL wiederum habe in der Vergangenheit zu viele Alleingänge zugelassen. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel forderte Strehl, das Verhandlungsmandat den Unikliniken zu übertragen. Dies sei, wie das Beispiel Berlin zeige, „sach und fachnäher“ und verhindere, „dass man nicht bedenkt, dass unsere Ärzte schlechter gestellt werden als die an kommunalen Krankenhäusern“.

Durch die Streiks würden Uni-Kliniken „an den Rand des Ruins getrieben“, warnte Strehl. Bei einer Ausweitung rechne man in Tübingen etwa mit 1,5 Millionen Euro Verlust pro Woche. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft betonte, dass Kliniken finanziell „auf der Kippe stehen“ und Patienten bei Streikausweitung Schaden nehmen könnten. Schon heute summierten sich die Ausfälle auf 250 000 bis 600 000 Euro pro Streiktag und Klinik.

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