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Politik: Ärzte machen Front gegen den eigenen Verhandlungsführer

Das Bundesministerium für Gesundheit "schweigt und nimmt zur Kenntnis". Aber Gesundheitsministerin Andrea Fischer zeigt sich doch befremdet über "Stil und Inhalt" einer offensichtlich innerhalb der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) neu entflammten Auseinandersetzung um die am Dienstagabend gefundene Einigung über das Arznei- und Heilmittelbudget für 1999.

Das Bundesministerium für Gesundheit "schweigt und nimmt zur Kenntnis". Aber Gesundheitsministerin Andrea Fischer zeigt sich doch befremdet über "Stil und Inhalt" einer offensichtlich innerhalb der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) neu entflammten Auseinandersetzung um die am Dienstagabend gefundene Einigung über das Arznei- und Heilmittelbudget für 1999. Der in viereinhalbstündigem Krisengespräch im Bonner Gesundheitsministerium gefundene Kompromiss, wonach es bei der vorgegebenen Budgetierung bleibt, die Ärzte auf "Notprogramme" verzichten und alle sich auf äußerste Sparsamkeit besinnen, hat offenbar in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu neuen internen Spannungen geführt. Auch mit dem Ergebnis, dass am Image des moderaten Verhandlungsführers, KBV-Chef Winfried Schorre, gekratzt wird.

Auslöser des neuen Streits ist ein dem Tagesspiegel vorliegendes Schreiben des stellvertretenden KBV-Hauptgeschäftsführers Lothar Krimmel an die Ärztevertreter der Länder, in dem er die im Gespräch mit der Ministerin getroffenen Vereinbarungen nach Ansicht von Verhandlungsteilnehmern "zumindest eigenwillig uminterpretiert". So schreibt Krimmel unter Punkt 4 seiner mehrseitigen Interpretation: "Für den Fall, dass trotz der Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen die Budgets überschritten werden, hat die Ministerin zugestanden, dass über die daraus zu ziehenden Konsequenzen und weiterführenden Maßnahmen neu verhandelt werden muss".

Das hat die Ministerin auf die Palme gebracht. In kargen Worten sagte sie der "Süddeutschen Zeitung": "Es gibt keine Gesetzesänderung. Wenn die Budgets überschritten werden, was ich nicht glaube, gibt es Regresse." Dass sie darüber hinaus nunmehr nicht weiter Stellung bezieht, rührt aus einem weiteren Faktum: Der von Krimmels Brief offenbar zunächst nicht informierte Präsident der Kassenärztlichen Vereinigung hat versucht, die Dinge wieder ins rechte Lot zu bringen. Schorre hat seinerseits zur Feder gegriffen und in einem ebenfalls dem Tagesspiegel vorliegenden Brief der Ministerin Genugtuung gegeben: "Nach nochmaliger Rücksprache mit den Gesprächsteilnehmern der Ärzteschaft bestätige ich Ihnen, dass Sie bei der gemeinsamen Besprechung der KBV nicht zugestanden haben, dass bei Budgetüberschreitungen trotz Einhaltung der vereinbarten Maßnahmen über daraus zu ziehende Konsequenzen und weiterführende Maßnahmen neu verhandelt werden müsse".

Schorre, dem von Ärztefunktionären inzwischen sogar vorgeworfen wird, den Kompromiss "ohne Mandat" ausgehandelt zu haben, schreibt in seinem Brief an Fischer weiter, neue Verhandlungen bei möglichen Budgetüberschreitungen seien "vielmehr eine Forderung unsererseits, der Sie unter Hinweis auf die notwendige Einhaltung geltenden Rechts widersprochen haben". Er hoffe, "mit diesen Klarstellungen die aufgetretenen Missverständnisse ausgeräumt zu haben".

Wobei allerdings auch Schorre gegenüber der Gesundheitsministerin in einem anderen Punkt im Dissenz bleibt: Sonderwünsche von Patienten nach teuren Medikamenten würden weiter verordnet und müssten dann von ihnen bezahlt werden. Dies lehnt die Ministerin ab.

Offensichtlich wird aus dem "heißen Herbst" um die Gesundheitsreform auch ein Streit innerhalb der Ärzteschaft. Front gegen den Kompromiss macht derzeit besonders lautstark die Kassenärztliche Vereinigung von Nordwürttemberg, die von einem "faulen Kompromiss" spricht und ein eigenes Notprogramm auflegen will.

Es ist ein Kleinkrieg der verschiedenen Interessenvertreter mit vielfachen Briefwechseln. In der Folge des ärztlichen Disputs hat sich nunmehr auch der Bundesverband der Betriebskrankenkassen empört eingeschaltet. In einem Schreiben an Schorre und Ministerin Fischer wird Bezug genommen auf Krimmels Brief an die Ärzteschaft, der sich "in krasser Weise gegen Inhalt und Geist der Verständigung stellt". Dessen Darstellungen seien "in der Diktion in beinahe allen Punkten mit Befremden zur Kenntnis zu nehmen".

Klaus J. Schwehn

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