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Politik: Ärzte: Streik gegen staatlichen Lohnraub

Heute beginnen Protestaktionen in den Kliniken / Regierungsberater kritisiert Funktionäre

Berlin - Vor den heute beginnenden Protestaktionen der Klinikärzte hat der Ärzteverband Marburger Bund heftige Kritik an geplanten Einkommenskürzungen geübt. Verbandsvorsitzender Frank Ulrich Montgomery sprach von „staatlichem Lohnraub“ und „bodenlosem Zynismus“. Einerseits hofiere man die Ärzte an den Universitätskliniken als wissenschaftliche Elite, andererseits mute man ihnen Gehaltseinbußen von 15 Prozent zu, sagte Montgomery dem Tagesspiegel. Regierungsberater Karl Lauterbach nannte die Proteste nur teilweise berechtigt. „Den Funktionären fällt nichts ein als der Ruf nach mehr Geld“, sagte er dieser Zeitung. Das Problem liege aber in schlechtem Management und ungerechter Einkommensverteilung. Junge Assistenzärzte müssten unter unattraktiven Bedingungen arbeiten, Chefärzte verdienten „sehr häufig“ mehr als eine Million und mitunter bis zu fünf Millionen Euro im Jahr.

Aus Protest gegen die Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie die Verlängerung der Arbeitszeit auf bis zu 42 Stunden planen die Klinikärzte in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern Arbeitsniederlegungen sowie am Freitag eine zentrale Kundgebung in Berlin mit Ärzten aus ganz Deutschland. Auch die Mediziner der Berliner Charité sind für diesen Tag zum ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Man wolle ein „deutliches Zeichen“ gegen überlange Arbeitszeiten, zu geringe Vergütung und zu viel Bürokratie setzen, sagte Montgomery.

Die Union forderte bessere Perspektiven für die Beschäftigten in Gesundheitsberufen. Andreas Storm (CDU) kritisierte insbesondere das „Übermaß an Bürokratisierung“. Klinikärzte verbrächten 30 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Dingen, die mit ihrer eigentlichen Aufgabe nichts zu tun hätten, sagte er dem Tagesspiegel. Immer mehr Medizinstudenten entschieden sich gegen den Arztberuf und immer mehr Ärzte gingen ins Ausland. „Letzteres könnte zum Massenproblem werden, Ersteres ist schon eins.“

In der Haltung zu überlangen Arbeitszeiten gebe es unter den Ärzten „keine klare Linie“, sagte Lauterbach. Manche wehrten sich gegen Überstunden, andere fühlten sich finanziell darauf angewiesen. Auch deshalb gebe es in den Kliniken „keine sauber funktionierenden Schichtsysteme“. Das Hauptproblem sei aber die nicht leistungsgerechte Bezahlung. Anders als etwa in den USA lasse sich hier zu Lande mit der Behandlung von privat Versicherten viel, mit der Behandlung gesetzlich Versicherter aber nur wenig Geld verdienen. Leidtragende seien Kassenpatienten und junge Klinikärzte. „Dieses System ist ungerecht und muss überwunden werden“, sagte der Berater von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD).

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