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Der 118. Deutsche Ärztetag in Frankfurt am Main brachte kaum Kritik der Mediziner an Gesundheitsminister Gröhe.

© dpa

Ärztetag: Gröhe und die Mediziner: schmeicheln und streicheln

Früher wurden die Gesundheitsminister beim Ärztetag beschimpft und ausgebuht. Diesmal musste sich Hermann Gröhe (CDU) eher den Vereinnahmungsversuchen durch die Mediziner erwehren.

Die Zeiten, in denen es für amtierende Gesundheitsminister kaum Schlimmeres gab als den jährlichen Ärztetags-Auftritt, sind offenbar vorbei. Bei der Eröffnung des traditionellen Treffens von rund 250 Medizinern am Dienstag in der Frankfurter Paulskirche musste sich Hermann Gröhe (CDU) jedenfalls eher den Vereinnahmungsversuchen der Mediziner erwehren als aggressiver Kritik.

Dank für die Kooperation

Er wolle dem Minister „für die Kooperationsbereitschaft danken“, sagte Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery und zählte zufrieden auf, wo man mit den eigenen Argumenten „durchgedrungen“ sei. Dem folgte zwar pflichtschuldig auch eine Liste politischer „Ärgernisse“. Doch die kreidete der Funktionär weniger dem Ressortchef an als einer Koalition, die immerfort bestelle, aber nicht zahlen wolle und viele Ärzte „mit ihren Überregulierungen in den Verdruss“ treibe.

„Wir kämpfen dagegen, dass die ärztliche Freiberuflichkeit in altbekannter Salamitaktik Scheibe für Scheibe beschnitten wird“, sagte Montgomery unter dem Beifall der Mediziner – und nannte als Beispiel dafür vor allem einige Punkte des geplanten Versorgungsstärkungsgesetzes.

Kritik an Termingarantie

Die Terminvergabe durch zentrale Servicestellen etwa sei „Humbug“ und ein „rein populistischer Schachzug“. Zum einen bekomme man hierzulande schon jetzt schneller Arzttermine als anderswo in der Welt. Zum andern sterbe dadurch „wieder ein Stückchen Freiheit, nämlich das Recht auf freie Arztwahl“.

Gröhe wies diese Vorwürfe zurück. Die Selbstverwaltung werde gestärkt, beharrte er, die freie Arztwahl bleibe unangetastet. Und bei dem Versorgungsstärkungsgesetz gehe es ja nicht nur um den kritisierten Terminservice, sondern vor allem darum, mehr Ärzte in strukturschwache Regionen zu bringen. Das Gesetz sehe dafür zusätzliche Anreize vor.

Doch Montgomery ärgert sich auch über Details im zweiten Großprojekt der Koalition: die Krankenhausreform. „Wir wollen unsere Verantwortung für Qualität wahrnehmen“, sagte er. „Dafür brauchen wir aber keine neue Qualitätsbürokratie.“ Wichtiger wäre es aus seiner Sicht gewesen, die Länder zu höheren Klinikinvestitionen zu verpflichten.

"Bei alten Kliniken helfen keine neuen Hygienegesetze"

Selbstverpflichtung und ein an freiwillige Aufwendungen gebundener Strukturfonds könnten den Investitionsstau von mittlerweile mehr als 30 Milliarden Euro nicht beseitigen, sagte Montgomery. Wegen der fehlenden Mittel seien Pflegepersonal und Ärzte „völlig überlastet“. Und die alte Bausubstanz mache „moderne Hygiene schwer, wenn nicht fast unmöglich“, so der Ärztepräsident. „Da helfen dann auch keine neuen Hygienegesetze.“

Das war es dann aber auch mit Beanstandungen in der Gesundheitspolitik. Dickes Lob zollte Montgomery dem Minister für die Verbesserung der allgemeinärztlichen Weiterbildung sowie für die Reglementierung der Bonusverträge von Chefärzten. Und bei Gröhes Entwurf zu einem Hospiz- und Palliativgesetz wurde der Funktionär geradezu emphatisch. Es sei „bemerkenswert“, schmeichelte er dem CDU-Politiker in der ersten Reihe, „dass Sie diese wichtige Initiative ergreifen, bevor die Debatte um rechtliche Regelungen zur Suizidbeihilfe weitergeführt wird“. Dadurch erweise Gröhe „der Medizin am Ende des Lebens eine wirklich notwendige und verdiente Reverenz für ihren täglichen Einsatz“.

Warnung vor "hyperaktiven Staatsanwälten"

So viele Streicheleinheiten sind selten in der Ärztearena. Bei den großen Ärgernissen der Mediziner ist Gröhe aber auch fein raus. Das Antikorruptionsgesetz hat Justizminister Heiko Maas (SPD) an der Backe. Dieses sei gefälligst so zu gestalten, „dass nicht hyperaktive Staatsanwälte mit der ganzen Wucht der Staatsmacht voreilig in Praxen oder Krankenhäuser einfallen können“, donnerte Montgomery.

Und dann ist da noch das Tarifeinheitsgesetz, das den Ärzteoberen wohl auch wegen seiner Vorgeschichte als Chef der Klinikärztegewerkschaft Marburger Bund umtreibt. Statt Frieden in der Tarifautonomie und gute Arbeitsbedingungen zu stiften, werde es „die Belegschaften der Krankenhäuser gegeneinander aufhetzen“, prophezeite er. Seine Forderung an die Regierenden: „Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück!“ Doch die Zuständige konnte die „freundschaftliche Warnung“ des Funktionärs weder vernehmen noch sich rechtfertigen: Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) war ebenfalls nicht angereist.

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