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Bernd Lucke spricht von einem Klima des Misstrauens, das wie schleichendes Gift in die Partei sickere.

© dpa

AfD: Bernd Lucke bekommt Putin-Fans und Neurechte nicht in den Griff

Bernd Lucke, Chef der AfD, sagt dem Rechtsaußen-Flügel seiner Partei den Kampf an - doch womöglich hat er die Kontrolle verloren. Zu lange sah er zu, wie Extremisten und Putin-Versteher in der AfD an Boden gewannen. Ein Gastkommentar.

Sollte es noch irgendeinen Zweifel daran gegeben haben, dass Bernd Lucke unter einem enormen innerparteilichen Druck von rechts steht, so ist dieser spätestens seit dem Parteitag des bayerischen Landesverbands der Alternative für Deutschland (AfD) am vergangenen Sonntag in Ingolstadt ausgeräumt. Die dortige Rede des Parteisprechers war nichts anderes als eine glasklare Kampfansage an den immer stärker werdenden Rechtsaußen-Flügel der Partei, wenn auch nicht frei von den üblichen Weichzeichnern und weiterhin stramm auf Anti-Euro-Kurs und gnadenlos in der Flüchtlingspolitik.

Lemminghafte Putin-Anbiederung in der AfD

Genervt wirkte Lucke, belehrend klang seine Rede, genauso wie seine aus Talkshows hinlänglich bekannten Invektiven gegen die „Altparteien“. Nur griff er dieses Mal eben nicht jene an, sondern richtete sich an die eigene Partei. Und knüpfte damit in der Sache an seinen Anfang des Monats zirkulierten Brandbrief an die AfD-Mitglieder an, in dem er das Querulantentum und die ständigen Angriffe gegen ihn und seine Familie beklagte. Stein des Anstoßes vieler Parteimitglieder ist und bleibt Luckes Abstimmungsverhalten im Europaparlament, mit dem er Sanktionen gegen Russland im Ukraine-Konflikt für den Fall einer militärischen Intervention zustimmte. Mit dieser Haltung steht Lucke der kritikfreien und lemminghaften Putin-Anbiederung des brandenburgischen Fraktionschefs Alexander Gauland diametral entgegen. Und ist dadurch gewissermaßen zum Feindbild der „Neuen Rechten“ geworden, die in dem ehemaligen KGB-Agenten den Anführer der lang herbeigesehnten „konservativen Revolution“ sieht und die in der AfD immer einflussreicher wird.

So spricht es deshalb für sich, wenn Lucke auf einem Landesparteitag, auf dem Außenpolitik ja eigentlich gar keine Rolle spielt, seine Haltung zur Ukraine-Krise zum Schwerpunkt einer Rede macht und diese damit sogar beginnt. In Bayern allerdings konnte er dies auch wagen, denn der dortige Landesverband gilt als einer der moderatesten innerhalb der AfD. Schärfer als je zuvor waren Luckes Worte: „Rechtsstaat und Demokratie in Westeuropa sind um ein Vielfaches besser als in Russland.“

Oh ha. Das dürfte dem rechten Flügel, für den nicht nur der Euro, sondern auch die EU und überhaupt die angebliche westliche Dekadenz ein Feindbild sind, überhaupt nicht gefallen. Und auch der Schönrednerei des völkerrechtswidrigen Vorgehens des in Rechtsaußen-Kreisen so angehimmelten Putins auf der Krim und in der Ostukraine trat Lucke kämpferisch entgegen. Fast schon zynisch sagte er, dass er selbst ein „Putin-Versteher“ sei, weil ihm klar sei, dass „Russland eine Großmacht war und sich nicht mehr standesgemäß“ behandelt fühlt. Um direkt weiter zu donnern: „Das heißt aber nicht, dass ich die Mittel billige, die Russland einsetzt, um seine Ziele zu erreichen“. Einmal in Fahrt gekommen, wurde Lucke immer deutlicher und fügte hinzu, dass das Vorgehen der Separatisten in der Ostukraine „wohl kaum ohne Duldung und Förderung“ durch Russland denkbar sei.

Für Bernd Lucke ist es eine vergiftete Umarmung geworden

So weit, so gut, so richtig. Man ist fast erleichtert. Nur: wie soll das mit der Haltung des rechten Flügels zusammengehen? Mit einem Gauland, der Putins eklatante Völkerrechtsbrüche als „Sammeln russischer Erde“ bezeichnet? Und wie soll Luckes Abgrenzung gegenüber Rechtsaußen-Kräften, die er in Ingolstadt ebenfalls flammend einforderte, zu einem Björn Höcke, AfD-Fraktionschef in Thüringen, passen, der neurechten Medien wie der „Sezession“, „Blauen Narzisse“ und „Zuerst!“ munter Interviews gibt? Wohl gar nicht. Und glaubt man jüngsten Gerüchten, hat Lucke es wohl inzwischen selbst satt, zum Getriebenen einer Partei geworden zu sein, die er einst gründete, aber über die er inzwischen jede Kontrolle verloren hat.

So ist das, wenn man, nur um Stimmen zu bekommen, mit der Neuen Rechten flirtet, die schon lange einen politischen Arm sucht. Für Lucke ist daraus längst eine vergiftete Umarmung geworden. Womöglich sind seine Tage in der AfD bereits gezählt. Anders als der wirtschaftsliberale Parteivize Hans-Olaf Henkel, der ganz einfach irgendwann wieder abspringen und von einem Irrtum reden kann, steht für Lucke sehr viel mehr auf dem Spiel. Einfach alles, denn er hat diese Partei initiiert.

Liane Bednarz arbeitet als Rechtsanwältin im Bereich "Mergers & Acquisitions" in München. Sie war Stipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung und schreibt gelegentlich für das Feuilleton der katholischen "Tagespost" und den "European".

Liane Bednarz

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