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"Mut zur Wahrheit": Anhänger der AfD demonstrieren 2015 in Hamburg während einer Kundgebung.

© Daniel Bockwoldt/dpa

AfD und Islam: Wir brauchen Argumente statt Angst

Die AfD versucht oft, Angstgefühle zu verstärken. Deswegen sollte die Politik die Debatte über die Integration des Islam nicht ihr überlassen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Fabian Leber

Das Grundgesetz vermeidet jeden Bezug zu einer bestimmten Religion. Insofern wäre es grundgesetzwidrig, a priori bestimmte Religionen zu bevorzugen und andere für nicht kompatibel zu erklären. [...]Wenn jemand im Namen einer Religion gegen Gesetze verstößt, so ist das individuell.

schreibt NutzerIn beh

Gibt es auch etwas Gutes am Aufkommen der AfD? Vielleicht. Auch wenn man sich sehr vieles lieber erspart hätte. Ob es Wortmeldungen zu Schusswaffen-Einsätzen gegen Flüchtlinge sind oder krude Thesen zum Klimawandel. Die AfD ist in weiten Teilen zu einer Partei der Herabsetzung geworden. Umgekehrt schafft sie es, ein durchaus vorhandenes Angstgefühl auf ihre Mühlen zu lenken. Das Perfide daran ist, dass sie diese Angst oft noch zu verstärken versucht, weil sie davon profitiert.

Diese Angst mag nur einen Teil der Gesellschaft umfassen. Wirkmächtig ist sie dennoch. Sie ist schwer zu greifen, weil sie vieles durcheinanderbringt: die Furcht vor islamistischem Terror, vor einer anderen Religion, Kontrollverlust und Überlastung bei der Integration. Der Verstand sagt, dass all das zu trennen ist. Weshalb eben auch kein friedfertiger Muslim für islamistische Gräueltaten verantwortlich gemacht werden darf.

Die Debatte über die Integration des Islam wird dennoch vertiefter zu führen sein. Eben auch, weil sich die AfD zu einem gewissen Grad festgesetzt hat. Weil sie, wie aus ihrem aktuellen Programmentwurf hervorgeht, den Umgang mit dem Islam zum dominierenden Thema machen will. Aber auch, weil ihre Antworten ganz überwiegend falsch sind.

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, heißt es im Programmentwurf der AfD. Man darf sicher sein, dass dieser Satz den Mitgliederparteitag Ende April in Stuttgart überstehen wird. Denn er kanalisiert die latente Angst vor dem Fremden in dieser Partei. Und er ist als Frontalangriff auf die politische Elite zu verstehen. War es doch Ex-Bundespräsident Christian Wulff, der 2010 genau den gegenteiligen Satz aussprach.

Mit konkreten politischen Plänen und Konzepten hinterlegt wurde er nie – wie auch das „Wir schaffen das“ der Kanzlerin nicht. Noch im September verwies Angela Merkel darauf, dass die Deutschen doch bibelfester werden sollten. Es war ihre Antwort auf die Frage, wie auf die beschriebenen, diffusen Ängste vor dem Islam reagiert werden solle.

Merkels Reaktion griff zu kurz. Es war in etwa so, als würde ein Psychologe einem Patienten raten, bei Angstgefühlen einfach an etwas anderes zu denken. Das ist deshalb bedauerlich, weil man den Rechtspopulisten so unnötigerweise emotionalen Raum überlässt. Die AfD versucht ihn zu nutzen. Da wird ein Minarettverbot gefordert, islamischer Religionsunterricht an der Schule soll unmöglich sein, das Kopftuchtragen in Schulen untersagt werden.

Die strenge Trennung zwischen Staat und Religion wird bereits in Frankreich praktiziert. Erfolgreich integriert ist der Islam dort nicht. Und das in der Schweiz vom Volk erlassene Minarettverbot verletzt Völkerrecht und wäre wohl auch in Deutschland nicht rechtsgültig.

Deutschland hat eine Tradition darin, das Religiöse nicht völlig ins Private zu verdrängen. Hier ließe sich ansetzen. Über Rolle und Einfluss des Christentums darf politisch seit Langem gestritten werden – für den Islam gilt das genauso. Die Auseinandersetzung mit der diffusen Angst muss deshalb nicht der AfD überlassen werden.

Mit dem Umfang der gesellschaftlich gewünschten Einwanderung hat das im Übrigen wenig zu tun. Es geht erst einmal um die Muslime, die hier leben. Offenheit, Zugewandtheit und Verständnis von deren Seite können auch nicht schaden – außer den Wahlerfolgen der Rechtspopulisten.

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