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Affäre Guttenberg: Gleichmut trifft auf Wut und Scham

In der Plagiatsaffäre gerät Verteidigungsminister zu Guttenberg auch in den eigenen Reihen unter Druck. Bundestagspräsident Lammert fand drastische Worte, Bildungsministerin Schavan schämt sich, und selbst in der CSU melden sich erste Kritiker zu Wort. .

In der Union wird der Streit zwischen Guttenberg-Gegnern und Guttenberg-Unterstützern lauter: Am Montagmorgen nahm sich CSU-Chef Horst Seehofer Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vor, der die Affäre um zu Guttenberg unter anderem als "Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie" bezeichnet haben soll. Der bayerische Ministerpräsident nannte Lammerts Reaktion "unangemessen". „Der Minister hat alles Notwendige gesagt - jetzt sollten wir wieder unsere Arbeit machen“, sagte Seehofer und betonte: „Es besteht nicht der geringste Zweifel, dass die Partei geschlossen zu ihrem Minister Karl-Theodor zu Guttenberg steht.“

Wenig später konterte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich die Äußerungen von Bildungsministerin Annette Schavan, die gestern gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" bekannt hatte: „Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich.“ Friedrich sagte über die Kritik von Schavan und anderen, das seien „Einzelstimmen“, die man nicht weiter beachten und kommentieren müsse. Für die Gefühle von einzelnen könne er "nix".

Doch auch innerhalb der CSU werden kritische Stimmen laut: Stern.de zitiert den ehemaligen bayrischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein mit den Worten: "Die Affäre um seine Dissertation schadet der CSU und ihm selbst." Angeblich sollen neben Beckstein noch "etliche" weitere CSU-Politiker ihrem Ärger gegenüber dem Online-Magazin Luft gemacht haben. "Zu Guttenberg ist ein Dandy, kein Politiker", wird ein Führungsmitglied der Partei zitiert. Seine Eigendarstellung vom unbeugsamen, gradlinigen und charakterlich gefestigten Menschen sei gut gespielt, entspreche aber so gar nicht der Realität.

Guttenberg selbst machte vor der Vorstandssitzung der CSU heute in München deutlich, dass er sich durch die anhaltenden Attacken in seiner Arbeit nicht beeinträchtigt sieht. „Meine Arbeitskraft, was die Bundeswehr anbelangt, ist vollends gegeben. Ich habe dieses Amt auszufüllen und fülle das mit Freuden auch entsprechend aus“, sagte er und kündigte bereits für kommende Woche die nächsten Schritte bei der Bundeswehrreform an. In der Sitzung bekam er nach Angaben von Teilnehmern großen Applaus.

Mehr als 30.000 Unterzeichner eines offenen Briefs von Doktoranden werfen derweil Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine „Verhöhnung“ aller wissenschaftlichen Mitarbeiter vor. Die ersten 20.000 Unterschriften wurden am Montagmorgen am Kanzleramt abgegeben. In dem Brief wenden sich die Unterzeichner vor allem gegen die Bagatellisierung des Guttenbergschen Ideendiebstahls: Die Aussage Merkels, wonach sie zu Guttenberg nicht als wissenschaftlichen Assistenten eingestellt habe, lege nahe, "dass es sich beim Erschleichen eines Doktortitels um ein Kavaliersdelikt handele und dass das 'akademische Ehrenwort' im wirklichen Leben belanglos sei".

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Der FDP-Politiker Martin Neumann gibt dem angeschlagenen Minister noch „eine, maximal zwei Wochen Zeit“, um die Täuschungsvorwürfe auszuräumen. Schaffe er dies nicht, müsse er zurücktreten. Als erster Vertreter der schwarz-gelben Koalition äußerte er auch offen „große Zweifel an Guttenbergs Erklärung, er habe lediglich den Überblick über seine Quellen verloren“.

Zuvor hatte bereits Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) Zweifel am politischen Überleben Guttenbergs geäußert.

Bundestagspräsident Lammert hat nach einem Bericht der „Mitteldeutschen Zeitung“ vor Mitgliedern der „Arbeitsgruppe Demokratie“ der SPD-Bundestagsfraktion erklärt, die Affäre und ihre Begleitumstände seien „ein Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie“.

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte der Zeitung: „Ein Verteidigungsminister, der als Betrüger und Täuscher bezeichnet werden darf, der sollte der Bundeswehr einen Gefallen tun und zurücktreten.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, hält den Verteidigungsminister in seinem Amt weiterhin für akzeptabel. „Wenn es bei diesen Vorwürfen, die wir jetzt haben, bleibt, dann ist er tragbar“, sagte er am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Guttenbergs Glaubwürdigkeit sei allerdings angekratzt.

Er habe „genau reingehört in die Truppe“, sagte Kirsch. Soldaten im Einsatz gehe die Rücktritts-Debatte über den Minister „hinten quer vorbei“, bei den Bundeswehr-Angehörigen in Deutschland sehe es anders aus. So verwiesen Studenten an Bundeswehr-Hochschulen darauf, dass ihnen in einem vergleichbaren Fall ein Disziplinarverfahren drohe. Kirsch betonte angesichts der Affäre um Guttenbergs Doktorarbeit, es komme darauf an, „dass die Großbaustelle Bundeswehr jetzt bearbeitet wird“.

In ihrem offenen Brief beklagen die rund 20.000 Unterzeichner, die Behandlung der Plagiatsaffäre durch Merkel lege nahe, “dass es sich beim Erschleichen eines Doktortitels um ein Kavaliersdelikt handele„, wie das “Hamburger Abendblatt" zitiert. Dadurch “leiden der Wissenschaftsstandort Deutschland und die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Land der Ideen".

Der Staatsrechtsprofessor Ulrich Battis kritisierte Merkel wegen ihrer Äußerungen zur Aberkennung des Doktortitels ebenfalls. “Die Aussagen der Kanzlerin sind unglaublich", sagte er. “Denn damit stellt sie die Verantwortlichkeiten auf den Kopf. Das ist Missachtung von Wissenschaft."

Der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter hält einen dauerhaften Verbleib Guttenbergs im Amt des Verteidigungsministers für unwahrscheinlich. “Er wird sicher gehalten werden, bis die Wahlen Ende März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vorbei sind. Alles andere wäre das falsche Signal für große Teile der Unions-Anhängerschaft", sagte Falter. (dapd(dpa)

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