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Afghanistan: Bundeswehr erschießt Einheimischen in Kundus

Bundeswehr-Soldaten haben am Sonntag in der nordafghanischen Stadt Kundus nach Polizeiangaben einen Zivilisten erschossen.

Die Bundeswehr bestätigte den tödlichen Vorfall im Norden Afghanistans. Die Soldaten hätten nach einer Warnung vor einem Selbstmordanschlag einen Kontrollpunkt errichtet, sagte Bundeswehrsprecher Jürgen Mertins. Aus einer Schlange von wartenden Autos sei ein Wagen ausgeschert und mit hoher Geschwindigkeit auf die Truppen zugefahren. Trotz Handzeichen und Warnschüssen habe der Fahrer nicht angehalten. Daraufhin hätten Soldaten das Feuer auf das Auto eröffnet. Zwei Insassen seien verletzt worden, von denen einer nach Auskunft des zivilen Krankenhauses in Kundus später gestorben sei.

Auch der Polizeichef der Provinz Kundus, Mohammad Rasak Jakubi, bestätigte den Vorfall. Die afghanische Polizei ermittelte nun, ob es sich bei den Männern um Aufständische gehandelt hat. "Die (Internationale Schutztruppe) Isaf wird mit den Familien der Betroffenen Verbindung aufnehmen", kündigte Mertins an.

Ein von der Bundeswehr angeordnetes Bombardement auf zwei von Taliban gekaperte Tanklaster im vergangenen September hatte eine scharfe Debatte ausgelöst. Unter den bis zu 142 Toten des Angriffs waren nach Nato-Angaben auch Zivilisten. Nach einem Spiegel-Bericht soll der befehlshabende Bundeswehr-Oberst Georg Klein vor dem Angriff bewusst falsche Angaben gemacht haben. Laut Nato Untersuchungsbericht, der dem Magazin vorlag, habe der Oberst Nato-Ermittlern eingestanden, sich durch Erwähnung eines nicht vorhandenen Feindkontakts die Unterstützung der US-Luftwaffe gesichert zu haben.

Der Bundeswehr-Kommandeur und Nachfolger Kleins in Kundus, Oberst Kai Rohrschneider, sprach sich unterdessen für eine deutliche Verstärkung der Kampftruppen in der Unruheregion aus. "Auf die Provinz Kundus gerechnet wären eine weitere Kompanie (mit 150 Soldaten) und bestimmten anderen Fähigkeiten im Pionierbereich wünschenswert", sagte Rohrschneider. Mehr Soldaten würden ermöglichen, "mit weniger Gefechten, weniger Kampf und weniger Gewalt auszukommen, weil die Aufständischen dann vor dieser militärischen Präsenz ausweichen und wir in Räume hineinkommen, in denen wir afghanische Sicherheitsstrukturen einrichten können."

Der Kommandeur des Wiederbaufbauteams (PRT) sagte: "Wir haben hier in Kundus in den vergangenen Monaten beobachtet, dass die Bevölkerung nicht mehr an einen Sieg der Taliban glaubt. Aber sie glaubt auch noch nicht an einen Sieg der Isafund der afghanischen Regierung. Dafür ist es erforderlich, dass wir für eine gewisse Zeit unsere militärische Präsenz erhöhen." Aus welchem Land zusätzliche Soldaten kämen, sei "zunächst einmal egal". Einfacher sei es aber, wenn "Kräfte einer Nation" zusammenarbeiteten.

Rohrschneider sagte, die Lage in Kundus habe sich in den vergangenen Monaten beruhigt, sei aber "strukturell immer noch problematisch". In der Bevölkerung sei es zu einem Meinungsumschwung gekommen. "Der Glaube in weiten Bereichen der Provinz im Sommer, dass die Taliban im Winter hier alles kontrollieren, dieser Glaube existiert nicht mehr. Das ist durch die Operation der afghanischen Sicherheitskräfte und von uns verändert worden." In den kommenden Monaten rechne er dennoch mit einer Eskalation der Gewalt. Ein Teil der derzeitigen Ruhe sei darauf zurückzuführen, dass die Taliban sich neu organisierten. (Zeit Online/AFP/dpa/Reuters)
 

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