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Afghanistan: "Das Ziel war Dick Cheney"

Ein Selbstmordattentat hat US-Vizepräsident Dick Cheney bei einem Besuch im größten US-Lager in Afghanistan in einen Bunker flüchten lassen. Der Anschlag hat für die Taliban vor allem symbolische Bedeutung - als Demütigung der USA.

Neu Delhi/Kabul - Wie schlecht es um die Sicherheitslage in Afghanistan bestellt ist, haben die Taliban Dick Cheney am Dienstag deutlich vor Augen geführt. Der US-Vizepräsident hatte gerade mit Soldaten auf der US-Basis Bagram nördlich von Kabul gefrühstückt, als das Feldlager von einer heftigen Explosion erschüttert wurde. Einem Selbstmordattentäter war es gelungen, bis vor das Tor des Camps zu gelangen, in dem Cheney übernachtet hatte - und das, obwohl die wichtigste US-Basis in Afghanistan zu den am besten gesicherten Einrichtungen im Land gehört. "Das Ziel war Dick Cheney", verkündeten die Rebellen nach dem Anschlag selbstbewusst.

Das Innenministerium in Kabul meldete, mindestens 16 Menschen seien getötet worden. Nach Angaben der amerikanischen Armee riss der Attentäter dagegen drei Menschen mit in den Tod, darunter zwei Soldaten der US-geführten Koalitionstruppen. Die Taliban dürften damit gerechnet haben, dass das Leben ihres Selbstmordattentäters am Eingang der Basis enden und er sein Ziel im Camp nie erreichen würde.

Flucht in den Bunker

Die Rebellen wussten um die Symbolkraft des Anschlags - und um die weltweite Aufmerksamkeit, die sie mit ihm erlangen würden. So nahe sind sie einem Spitzenpolitiker der ihnen verhassten USA noch nie gekommen. Außerdem fügten die Taliban Cheney noch eine Demütigung zu: Der US-Vizepräsident musste vor den von seinen Offizieren einst schon fast totgesagten Rebellen in einen Bunker flüchten.

Erst am späten Montagabend war bekannt geworden, dass Cheneys Überraschungsbesuch in Afghanistan bis Dienstag dauern würde - eigentlich sind seine Reisepläne aus Furcht vor Anschlägen geheim. Ursprünglich hatte Cheney erklärt, den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai noch am Montag zu treffen, doch Schneefall verhinderte seinen Flug von Bagram in die 60 Kilometer entfernte Hauptstadt Kabul. Das Treffen wurde verschoben, Cheney übernachtete außerplanmäßig in der US-Basis - und die Taliban nutzten die seltene Chance.

Cheney: Habe "lauten Knall" gehört

Wenige Stunden genügten ihnen anscheinend, aus dem nach ihren Angaben 2000 Mann umfassenden Heer an Selbstmordattentätern einen auszuwählen und das Himmelfahrtskommando vorzubereiten. Cheney sagte, er habe "einen lauten Knall" gehört - von dem er sich aber nicht beirren ließ. Nach seinem kurzen Aufenthalt im Bunker flog er nach Kabul, um mit Karsai über den Kampf gegen den Terrorismus und die desolate Sicherheitslage zu sprechen. Die USA und ihre Verbündeten wollen unbedingt verhindern, dass es den Rebellen gelingt, mit der angekündigten Frühjahrsoffensive Afghanistan weiter zu destabilisieren - und an den Rand des Abgrundes zu bringen.

Vor der erwarteten Taliban-Offensive findet daher ein regelrechter Truppenaufmarsch am Hindukusch statt. Bald werden dort erstmals seit dem Ende des Taliban-Regimes vor gut fünf Jahren mehr als 50.000 ausländische Soldaten eingesetzt sein. Großbritannien will seine Truppen verstärken, Dänemark und Australien ebenso. Die USA haben das bereits getan, alleine 27.000 amerikanische Soldaten sind derzeit in Afghanistan. Deutschland - mit knapp 3000 Soldaten drittgrößter Truppensteller der Internationalen Schutztruppe Isaf - schickt vorbehaltlich der Zustimmung des Bundestages Anfang März sechs Tornado-Aufklärungsflugzeuge und 500 zusätzliche Soldaten.

Taliban will Zahl ihrer Kämpfer auf 10.000 steigern

Die Taliban hoffen darauf, dass der Aufmarsch der "Ungläubigen" die Afghanen in die Arme der Aufständischen treibt. 6000 Kämpfer stünden bisher für die Frühjahrsoffensive bereit, die Zahl könne aber auf bis zu 10.000 steigen, sagte der militärische Führer der Rebellen, Mullah Dadullah, vor kurzem in einem Interview. "Je stärker die Zahl der jüdischen und christlichen Soldaten wächst, die uns bekämpfen, desto mehr werden die Afghanen ermutigt sein, sich uns anzuschließen." (tso/dpa)

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