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Afghanistan: Die Grenzen des Mandats

Im Verteidigungsministerium wird über die künftigen Kompetenzen des Afghanistan-Einsatzes gebrütet. Spätestens seit der Operation "Harekate Yolo II" im vergangenen Herbst ist klar: Das Bundeswehr-Mandat ist an seine Grenzen gestoßen.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Nein, sagt Thomas Raabe, „gearbeitet“ wird im Verteidigungsministerium an einem neuen Afghanistan-Mandat für die Bundeswehr nicht. Aber vielleicht darüber nachgedacht? „Nachgedacht“, sagt der Sprecher von Minister Franz Josef Jung, „nachgedacht“ werde in seinem Hause immer. Das klang eher flapsig, aber hinter dem augenzwinkernden Scherz steckt eine tiefere Wahrheit. Nachgedacht wird in der Tat im Bendler-Block über das nächste Mandat, und zwar schon seit geraumer Zeit.

Der meiste Stoff für dieses Nachdenken stammt aus dem letzten Herbst. Damals zog die Bundeswehr in Afghanistan zum ersten Mal regelrecht in den Krieg. Die Operation „Harekate Yolo II“ war ein kleiner Feldzug gegen Taliban-Rebellen, die versuchten, über dünn besiedelte Gebiete in Westafghanistan in den unter deutschem Kommando stehenden Nordsektor einzusickern. Zur Abwehr zogen Einheiten der afghanischen Armee und die von Norwegen gestellte Schnelle Eingreiftruppe (Quick Reaction Force, QRF) in den Kampf, außerdem – wenn auch nicht direkt an der Front – bis zu 250 deutsche Aufklärer, Logistiker, Heeresflieger und Ausbilder.

Der Einsatz bereitete damals der politischen Spitze des Ministeriums Kopfzerbrechen, fand er doch im Grenzgebiet zwischen West- und Nordsektor statt. Das widersprach nicht dem Wortlaut der vom Bundestag auferlegten prinzipiellen Beschränkung des Einsatzes auf den Norden, strapazierte aber doch arg die Ausnahmeregel, dass Deutsche im Notfall auch außerhalb des Mandatsgebiets operieren dürfen. Seither wird in militärischen und parlamentarischen Zirkeln darüber nachgedacht, wie man die Mandatsgrenze „weicher“ formulieren könnte. Vorbild könnte das erste Afghanistan-Mandat von 2001 werden, in dem die geographische Grenzziehung „Kabul und Umgebung“ einigen Spielraum ließ.

Auch der zweite Anlass zum Nachdenken hängt indirekt mit „Yolo II“ zusammen: Wenn die Bundeswehr ab Sommer die Schnelle Eingreiftruppe von Norwegen übernimmt, gelangt sie endgültig an die Obergrenzen des Mandats - diesmal nicht die geographischen, sondern die personellen. 3500 Männer und Frauen hat der Bundestag im vorigen Oktober genehmigt, rund 3300 Soldaten sind zurzeit in der internationalen Schutztruppe Isaf im Einsatz. Mit der Eingreiftruppe kommen noch mal rund 200 Bundeswehr-Soldaten. Pläne, im Gegenzug die deutsche Präsenz in Kabul auszudünnen, sind am Widerstand der afghanischen Regierung gescheitert.

Damit aber stehen die Militärs vor einer unangenehmen Situation. Schon bei normalen Kontingentwechseln ist ein „Puffer“ von ein paar hundert Mann wünschenswert, um eine nahtlose Ablösung zu ermöglichen. Dringend notwendig könnte eine Reserve sogar werden, wenn die Lage am Hindukusch kurzfristige Verstärkung nötig machen sollte. Beides gibt das geltende Mandat, weil komplett ausgeschöpft, dann nicht mehr her. Nur nahe liegend also, dass die Einsatzplaner ihre Reserve gerne wieder hätten. Wie stark aufgestockt wird, ist eine Frage der politischen Durchsetzbarkeit. So wie es eine politische Frage ist, ob das Mandat im Oktober erneut nur für ein Jahr verlängert wird oder gleich für eineinhalb Jahre – über den Bundestagswahltermin im Herbst 2009 hinaus.

„Nachgedacht“ also wird. Dass davon etwas in die Öffentlichkeit dringt, ist Polit-Strategen der Koalition allerdings nicht recht. Eine „Diskussion zur Unzeit“ sei das, sagt einer. Dahinter steckt ein Termin: Der Nato-Gipfel am 27. April in Bukarest. Absehbar, dass sich Kanzlerin Angela Merkel dort neuen Forderungen der Nato-Partner nach mehr deutschem Engagement stellen muss. Praktisch, wenn sie dann das Ergebnis des Nachdenkens präsentieren kann.

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