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© dpa

Afghanistan-Einsatz: Krieg oder nicht Krieg?

Am Dienstag sterben drei deutsche Soldaten in Afghanistan. Nun mehrt sich erneut die Kritik über den Einsatz und dessen Bewertung. Der Tagesspiegel hat dazu Stimmen eingefangen. Was meinen Sie? Befindet sich die Bundeswehr im Krieg?

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Nach dem Tod dreier weiterer deutscher Soldaten am Dienstag in Afghanistan gibt es neuen Streit über die Bewertung des Einsatzes der Bundeswehr. Trotz der zunehmenden Zahl von Gefechten zwischen deutschen Soldaten und radikalislamischen Taliban erklärte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), die Bundeswehr befinde sich nicht im Krieg. Jung sagte am Mittwoch in der ARD: „Wir sind dort keine Besatzer, sondern wir sind da, um die Sicherheit auch der Bundesrepublik Deutschland zu festigen und zu wahren, in dem wir dort dem Terrorismus entgegentreten.“ Ein Sprecher Jungs fügte mit Blick auf das Völkerrecht hinzu, wer von einem Krieg der Bundeswehr in Afghanistan rede, stelle die Bundeswehr auf eine Stufe mit den Angreifern. „Das sind Terroristen, Verbrecher und Kriminelle – nichts weiter.“

Widerspruch kam von Jungs Amtsvorgänger Peter Struck. Nach Meinung des SPD-Politikers ist die Bundeswehr im Norden des Landes inzwischen sehr wohl in einen Krieg verwickelt. „Die Taliban führen Krieg gegen das afghanische Volk und zwingen uns ihren Krieg auf“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Es handele sich aber nicht um einen „Krieg im herkömmlichen Sinne, denn den führt man gegen Staaten.“ Die Bundeswehr bekämpfe in Afghanistan dagegen Aufständische und Terroristen.

Anders als sein Fraktionschef Peter Struck pflichtete SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels dem Verteidigungsminister bei. "Dass er nicht von Krieg spricht, ist völlig richtig. Denn nach dem Völkerrecht kann man in Afghanistan nicht von einem Krieg reden", sagte er dem Tagesspiegel. Zugleich warnte Bartels davor, die Lage der Bundeswehr in Nord-Afghanistan zu dramatisieren. "Es ist nicht so, dass der ganze Norden Afghanistans in Flammen steht. Es geht um zwei Regionen im Verantwortungsbereich der Bundeswehr. Im Rest des Gebietes findet statt, was wir uns vorgenommen haebn: Der Wiederaufbau des Landes." SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold plädierte für eine differenzierte Betrachtung: "Wir sind in Afghanistan nicht komplett im Krieg, aber es geht auch nicht nur um Aufbau", sagte er dem Tagesspiegel.

Ähnlich sieht es der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei. Es "gibt kein angemessenes Wort für die sehr unterschiedliche Lage in Afghanistan". Am Hindukusch habe man es mit einer "Gemengelage von Ditrikten zu tun, die zum Teil durch Krieg gekennzeichnet sind, zum Teil durch schwere Kriminalität und zum Teil durch eine richtig gute Aufwärtsentwicklung." Für Nachtwei ist klar, dass unterschieden werden muss: "Taktisch ist der Bundeswehreinsatz stärker als bisher gedacht mit Gefechten verbunden", aber "der strategischen Zielsetzung des gesamten Einsatzes nach bleibe er ein Sicherheits- und Stabilisierungseinsatz", und mithin kein Krieg.

Die FDP-Verteidgungsexpertin Birgit Homburger äußerte ihr Unverständnis für die Diskussion. "Sie hilft den Soldatinnen und Soldaten nicht weiter. Fakt ist, dass die Bundeswehr sich auch im Norden Afghanistans seit langem in einem Kampfeinsatz befindet. Es hilft nicht weiter, wenn der Bundesverteidigungsminister krampfhaft an der Formulierung Stabilisierungseinsatz festhält, der die Situation nur beschönigt. Ich fordere den Bundesverteidigungsminister auf, die Dinge endlich beim Namen zu nennen."

Wilfried Stolze, Sprecher des Deutschen Bundeswehrverbands erklärte: „Wir wollen keinen Krieg der Worte. Für uns ist entscheidend, was unsere Soldatinnen und Soldaten vor Ort sagen. Und wenn die mit Selbstmordattentätern konfrontiert sind, mit Autos, die in Flammen aufgehen, mit schwer verletzten Kameraden, dann sagen die: Das ist Krieg hier.“

Richtig sei, dass die Bundeswehr, Wie Minister Jung sagt, nicht als Besatzer in Afghanistan auftrete, sondern ihr Auftrag der Frieden sei. Mit Militär allein sei der Krieg in Afghanistan nicht zu gewinnen. „Die Soldaten können nur Zeit für den zivilen Aufbau gewinnen, nicht den Krieg gegen den Terror.“ Entsetzt sei der Deutsche Bundeswehrverband allerdings über die Haltung der deutschen Gesellschaft zum Einsatz der Soldaten in Afghanistan. Es sei eine „Schande, dass zurückkehrende Soldaten sich in ihren Familien, vor Freunden und am Stammtisch rechtfertigen müssen für ihren Einsatz.“ Die Bundeswehr sei eine Parlamentsarmee, die im Auftrag des Bundestages aktiv werde. Deshalb sei es ein „riesiges Manko unserer Politik, dass sie keine klare Sprache spricht.“ Gerne werde über den Aufbau von Schulen und Straßen geredet, aber nicht erklärt, „was es heißt, dass wir am Hindukusch unsere Freiheit verteidigen: Wir versuchen die Terrorzellen dort zu bekämpfen, wo sie entstehen, damit es im KaDeWe oder der Berliner U-Bahn nicht zu Anschlägen wie in Madrid und London kommt.“

Was meinen Sie? Befindet sich die Bundeswehr mit ihrem Einsatz in Afghanistan in einem Krieg, einem Kampfeinsatz oder einer Friedensmission? Diskutieren Sie mit. Nutzen Sie dafür die Kommentarfunktion unter dem Artikel!

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