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© dpa

Afghanistan: Friedensschluss mit Kriegsverbrechern?

Die Bundesregierung rückt in Afghanistan offenbar von ihren bisherigen menschenrechtlichen Zielen ab.

Von Hans Monath

Berlin - In ihren Bemühungen um eine Stabilisierung Afghanistans ist die Bundesregierung offenbar bereit, von bisherigen menschenrechtlichen Zielen deutscher Außenpolitik abzurücken – und löst damit Widerspruch bei Fachpolitikern aus. Der Afghanistanbeauftragte der Bundesregierung, Bernd Mützelburg, hatte am vergangenen Mittwoch im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages angekündigt, in eine Friedenslösung für das Land müssten langfristig auch Kriegsverbrecher wie Mullah Omar und Gulbuddin Hekmatyar einbezogen werden. Ausschussmitglieder sind nach Informationen des Tagesspiegels empört. Mützelburg dagegen meint, wenn die internationale Gemeinschaft nach ihrem geplanten Abzug keinen Bürgerkrieg hinterlassen wolle, sei es notwendig, auch mit den Kriegsverbrechern von gestern eine Übereinkunft zu erzielen. Für die Ergebnisse einer Verhandlungslösung müssten allerdings „rote Linien“ gelten.

Mützelburgs Ankündigung geht weiter als die offizielle Linie des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai. Dieser hatte bei seiner Rede zum Antritt seiner zweiten Präsidentschaft vor wenigen Wochen zwar eine nationale Aussöhnung mit den Taliban in Aussicht gestellt. Zugleich stellte er aber die Bedingung, es könnten nur solche ehemalige Aufständische teilnehmen, „die keine Verbindung zu internationalen Terrornetzwerken haben“ und „ein friedliches Leben im Licht unserer Verfassung führen“ wollten. Die vom deutschen Afghanistan-Beauftragten genannten Warlords erfüllen diese Bedingungen nicht.

Mullah Omar ist ein Taliban-Führer mit Einfluss, der seit dem Einmarsch der USA in Afghanistan im Untergrund lebt und gegenwärtig in Pakistan vermutet wird. Nach dem russischen Abzug hatten die Taliban in Afghanistan eine Gewaltherrschaft errichtet und systematisch die Menschenrechte verletzt. Ihre Gewalt richtete sich vor allem gegen Frauen. Mudschaheddin-Führer Hekmatyar ruft ebenfalls zum heiligen Krieg gegen die USA auf. Seine Kämpfer sind vor allem im Osten und Norden des Landes aktiv, etwa in der Region Kundus, wo deutsche Truppen stationiert sind. Hekmatyar war nach eigenen Angaben auch für die Tötung von zehn französischen Isaf-Soldaten in einem Hinterhalt im Sommer 2008 verantwortlich.

Die Grünen-Abgeordnete Marieluise Beck warnte die Regierung davor, bislang erreichte menschenrechtliche Standards preiszugeben. „Es übersteigt meine Vorstellungskraft, dass man mit einem Mullah Omar tatsächlich so verhandeln könnte, dass in Afghanistan wenigstens ein Minimum der universalen Menschenechte aufrechterhalten werden kann“, sagte sie dem Tagesspiegel. Es sei eine Tragödie, wenn westliche Politik zum Ergebnis habe, „dass in Afghanistan wieder jene katastrophale menschenrechtliche Lage herrscht, für deren Überwindung sehr viele Menschen ihr Leben gelassen haben“. Auch die Grünen-Abgeordnete Kerstin Müller verlangte, die Menschenrechte und besonders die Rechte der Frauen dürften einer Verhandlungslösung nicht geopfert werden.

Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich forderte die Bundesregierung auf, noch vor der Londoner Afghanistan-Konferenz Ende Januar dem Bundestag die eigenen Ziele zu erklären. „Die Bundesregierung muss auch darlegen, welche Kriterien für eine Zusammenarbeit mit jenen Kräften gelten sollen, die den Aufbau Afghanistans bislang bekämpft haben“, sagte er. Mützenich erinnerte daran, dass der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck schon im April 2007 nach einem Gespräch mit dem afghanischen Präsidenten Karsai von der Einbeziehung der Taliban gesprochen hatte. „Jetzt wird Regierungslinie, wofür Kurt Beck damals vor allem von der Union furchtbare Prügel bezogen hat“, meinte er.

Für die Linksfraktion sagte der Außenpolitiker Stefan Liebich, es werde immer deutlicher, dass die von der rot-grünen Regierung entwickelte Strategie gescheitert sei, „aus Afghanistan eine Schweiz am Hindukusch zu machen“. Da die menschenrechtlichen Ziele mit Krieg nicht zu erreichen seien, müsse die Bundeswehr abgezogen werden. „Die neue Regierung geht offenbar mehr in Richtung Sicherheit als in Richtung Menschenrechte“, meinte Liebich. Damit nähere sie sich einer Strategie an, die seit längerem von den USA verfolgt werde.

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