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Ein afghanischer Handwerker verputzt ein von Deutschland finanziertes Schulgebäude.

© REUTERS

Afghanistan: Gefahr für Übersetzer

Weil die Bundeswehr Afghanistan verlässt, wächst bei den einheimischen Helfern die Angst vor Übergriffen der Taliban Wer sich bedroht fühlt, kann in Deutschland um Aufnahme bitten – erfolgreich sind dabei nur wenige.

Mit dem Abzug internationaler Truppen aus Afghanistan verlieren nicht nur tausende Einheimische von heute auf morgen ihre Arbeit – mit den weichenden Soldaten kehrt für viele Afghanen die Angst zurück. Seit sich die Einheiten der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf auf dem Rückzug befinden, häufen sich die Übergriffe von Taliban auf jene, die während des mehr als zehnjährigen Afghanistaneinsatzes als zivile Mitarbeiter bei der Bundeswehr oder anderen Streitkräften tätig waren: Sie werden zum Teil massiv verbal und körperlich von den islamistischen Kämpfern bedroht.

Allein die Bundeswehr lässt nach ihrem Abzug aus dem Norden Afghanistans rund 1155 afghanische, zivile Angestellte an ihren ehemaligen Standorten in Kundus, Masar-i-Scharif und der Hauptstadt Kabul zurück. Die Einheimischen waren unter anderem als Wachleute, Küchenhilfen, Reinigungskräfte, Kraftfahrer, Fluglotsen, Gärtner, Handwerker oder Dolmetscher bei den Streitkräften beschäftigt. Die bewaffneten Arbeitgeber in Uniform waren für die dort beschäftigten Afghanen der Garant für ein freies, unversehrtes Leben in relativem Wohlstand. Die meisten von ihnen haben bei den ausländischen Armeen ein Vielfaches von dem verdient, was auf dem heimischen Arbeitsmarkt üblich ist. Vor allem aber konnten sie sich im Schutz der Soldaten frei im Land bewegen. Jetzt, da immer mehr Soldaten das Land am Hindukusch verlassen, traut sich manch einer kaum noch aus den eigenen vier Wänden.

Einige der sogenannten Ortskräfte würden angesichts der neuen Bedrohung ihre Heimat am liebsten verlassen und im Ausland Zuflucht suchen – ein Ansinnen, das nicht alle in Afghanistan vertretenen Truppensteller positiv sehen. Wer mit wie vielen Personen aufgenommen werden kann, haben die einzelnen Nationen sehr unterschiedlich geregelt – und handhaben den Zustrom der Bedrohten entsprechend offen oder restriktiv. In Deutschland gibt es dafür ein zwischen Auswärtigem Amt (AA), Bundesinnenministerium (BMI), Verteidigungsministerium (BMVg) und Entwicklungsministerium (BMZ) abgestimmtes Verfahren. Die deutschen Behörden hatten die Einheimischen Anfang des Jahres mit Flugblättern in ihrer Muttersprache über eine mögliche Ausreise aber auch andere Perspektiven im Land informiert – etwa den Wechsel an einen anderen Ort.

Wer sein Leben in Afghanistan von Taliban bedroht sieht, konnte sich bislang direkt an seinen Arbeitgeber wenden. Bei den Streitkräften wurde jeder Einzelfall von einem Komitee geprüft und dann an die Deutsche Botschaft in Kabul weitergeleitet. Wird auch dort eine Gefährdung anerkannt, landet das Gesuch schließlich im Bundesinnenministerium. Das Ressort entscheidet schließlich, ob ehemalige Ortskräfte nach Deutschland kommen dürfen oder nicht. Wird eine Aufnahmegenehmigung erteilt, darf der oder diejenige nicht nur in die Bundesrepublik einreisen und sich dort aufhalten, sondern darf dort auch eine Arbeit aufnehmen. Der Aufenthaltstitel ist erst einmal auf zwei Jahre befristet, wird in der Regel aber verlängert.

Bislang haben laut Bundesinnenminister rund 290 afghanische Ortskräfte ihren Dienstherren am Hindukusch über eine Bedrohung ihrer Person informiert. 30 davon haben um eine Aufnahme in Deutschland gebeten. 20 weitere würden eine Ausreise in Betracht ziehen. Allerdings haben bislang nur 21 ehemalige Ortskräfte eine Zusage für die Aufnahme in Deutschland erhalten. Dabei hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) noch im Frühjahr dieses Jahres in einem Zeitungsinterview erklärt, „großzügig helfen“ zu wollen.

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