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Afghanistan: Gute Noten für die Deutschen am Hindukusch

Wissenschaftler der Berliner FU haben Nord-Afghanen nach ihrem Verhältnis zum Staat und internationalen Helfern befragt.

Berlin - Im Nordosten Afghanistans kommen internationale Entwicklungsorganisationen und Militäreinheiten überwiegend positiv an. Der Staat dagegen hat nach Ansicht der dort lebenden Afghanen wenig Einfluss auf ihr tägliches Leben. Zugleich fürchten sie aber den Einfluss der westlichen Präsenz im Land auf ihre Kultur.

Zu diesen Schlüssen kommt ein Forscherteam der Freien Universität (FU) Berlin in einer Studie, die in Berlin vorgestellt wurde: In Zusammenarbeit mit einer afghanischen Nichtregierungsorganisation befragten die Wissenschaftler im Frühjahr 2007 mehr als 2000 Haushalte in 77 Gemeinden im Nordosten Afghanistans, in dem neben der Präsenz der Bundeswehr viele Entwicklungsprojekte mit deutscher Beteiligung tätig sind.

Dass der Norden Afghanistans ruhiger als die anderen Landesteile ist – eine von Politikern und Experten oft zitierte Annahme – stimmt mit der Wahrnehmung der Bevölkerung überein: Auf die Frage, ob sich die Sicherheitslage in den vergangenen zwei Jahren verbessert habe, antworteten 76 Prozent, sie habe sich sehr verbessert, und 23 Prozent, dass sie sich etwas verbessert habe.

Dafür verantwortlich sind nach Meinung von 80 Prozent der Befragten die ausländischen Truppen und der afghanische Staat. Nur sechs Prozent sahen einen positiven Einfluss lokaler Milizkommandeure. Deren Einfluss, so die Macher der Studie, scheint zumindest im Nordosten immer mehr abzunehmen. „Bedroht fühlen sich die Menschen vor allem von Kriminellen“, sagt Projektleiter Christoph Zürcher.

Auch die Arbeit der internationalen Entwicklungsorganisationen sehen die Afghanen positiv: 61 Prozent der Haushalte lobten die Bereitstellung von Trinkwasser und die Verbesserung der Straßenqualität durch Entwicklungsprojekte (66 Prozent). Ungelöst ist aber das Problem der Arbeitsplätze: Nur 2,6 Prozent fanden, dass internationale Helfer zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen beigetragen hätten. Weitaus geringer wird der Einfluss des Staates auf die Entwicklung der Infrastruktur eingeschätzt: 34 Prozent gaben an, dass die Regierung zur Verbesserung der Schulbildung beigetragen habe. Auch von den Distrikt- und Provinzadministrationen fühlen sich die Menschen im Stich gelassen: 37 Prozent sagten, dass sich diese nie um Belange der Gemeinde kümmerten.

Bei der Lösung lokaler Konflikte spielt der Staat eine noch geringere Rolle: Im Falle eines Streits um natürliche Ressourcen wendet sich der Großteil der Befragten an die Ältesten oder an die Dorf-Schura, den traditionellen Dorfrat. Nur zwei Prozent würden sich als Erstes an die Distriktverwaltung wenden. Daraus folgert Zürcher: „Ein großes Problem ist die fehlende Legitimation des Staates.“

Auch wenn die Afghanen loben, dass ihr Leben sicherer und die Infrastruktur besser geworden ist, fürchten sie den kulturellen Einfluss der Fremden: 21 Prozent denken, dass die Präsenz internationaler Helfer die lokalen Gepflogenheiten und islamischen Werte bedroht, sogar 43 Prozent denken dasselbe über die Präsenz ausländischer Truppen.

Deshalb fordern die Autoren von den internationalen Kräften, „so weit als möglich afghanische Bevölkerungsgruppen und Vertreter des Staates in ihre Arbeit mit einzubeziehen“. Nur so könne vermieden werden, dass Teile der afghanischen Bevölkerung die Arbeit der internationalen Akteure als eine Bedrohung der eigenen Wertvorstellungen wahrnehmen.

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