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Der neue Präsident Aschraf Ghani bei der Amtseinführung.

© dpa

Afghanistan: IS-Terror jetzt auch am Hindukusch?

Es Hinweise darauf, dass sich die Terrormiliz IS auch in Afghanistan ausbreitet. Der Unionspolitiker Philipp Mißfelder warnt davor, die Terroristen weiter zu unterschätzen.

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) fasst nun offenbar auch in Afghanistan Fuß. Ende vergangener Woche sahen sich die afghanischen Sicherheitskräfte in der Provinz Ghazni mit mindestens 300 Aufständischen konfrontiert, die ungewöhnlich brutal vorgingen und auch Zivilisten massakrierten. Afghanische Medien berichten sogar von deutlich mehr Islamisten, die seit vergangenen Donnerstag in der Provinz vormarschieren, Häuser niederbrennen und Zivilisten ermorden. 15 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder afghanischer Polizisten, sollen enthauptet worden sein, wie die afghanische Nachrichtenagentur Khaama Press am Freitag unter Berufung auf lokale Regierungsbeamte berichtete. Enthauptungen gehören zur Handschrift des IS, nicht jedoch zu der der Taliban. Der Vorsitzende des Provinzrates von Ghazni, Abdul Jami Jami, sagte, die Kämpfer hätten schwarze IS-Flaggen gehisst. Khaama-News veröffentlichte ein entsprechendes Foto, das in Afghanistan aufgenommen worden sein soll. „Sie sind mit starken und aggressiven Truppen nach Ghazni gekommen“, sagt Jami Jami weiter. Er sprach sogar von mehr als 800 Angreifern, die teilweise aus Pakistan und aus arabischen Ländern stammten.

IS rekrutiert afghanische Flüchtlinge

Der stellvertretende Provinzgouverneur Mohammad Ali Ahmadi bestätigte laut Khaama-News, dass sich IS in der Provinz ausbreite. Demnach betreibt IS in der Region aktiv Propaganda. Auch eine IS-Broschüre it dem Titel Fata (Sieg) kursiert. Sie wird außerdem in afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan verteilt, wo die Terrormiliz offenbar Kämpfer rekrutiert. Besonders gefährlich könnte ein Bündnis des früheren Kriegsherrn Gulbuddin Hekmatyar mit dem „Islamischen Staat“ sein. Zumindest einzelne Fraktionen seiner Bewegung Hezb-e-Islami sollen sich IS angeschlossen haben.

Nato: Keine Beweise für IS in Afghanistan

Die Nato, die Ende des Jahres ihre Kampftruppen aus Afghanistan abziehen will, hält sich derweil noch bedeckt. Mögliche IS-Aktivitäten in Afghanistan sind nach Auskunft einer Sprecherin derzeit kein Thema in Brüssel – ein Aufschub des Abzugs schon gar nicht. Auch im deutschen Verteidigungsministerium hieß es am Montag, es lägen „keine Erkenntnisse“ zu IS in Afghanistan vor, wie ein Sprecher dem Tagesspiegel sagte. Im Hauptquartier der Nato-Truppe Isaf in Kabul wird das Thema ebenfalls zurückhaltend kommentiert. „Wir wissen, dass in afghanischen Medien über Verbindungen von IS und afghanischen Aufständischen berichtet wird,“ sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel, „Beweise für diese Berichte haben wir bisher nicht.“ Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, warnte hingegen davor, IS weiter zu unterschätzen. „Die Gefahr einer Ausbreitung von IS auf weitere Teile der Welt darf nicht kleingeredet werden“, sagte er dem Tagesspiegel. „Gerade im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet sollen in der vergangenen Zeit verstärkt Kämpfer für die IS rekrutiert worden sein. Im geplanten Abzug der Truppen aus Afghanistan sehen sicherlich einige ihre Chance, ein Kalifat oder die Herrschaft der Taliban erneut zu errichten.“

Mißfelder: Abzug dennoch richtig

Der Abzug auch der Bundeswehr zum Ende dieses Jahres sei dennoch richtig, so Mißfelder weiter, denn „genau gegen solche Bedrohungen“ würden die afghanischen Sicherheitskräfte ausgebildet und ausgerüstet. In Kabul scheint die neue Gefahr für die junge Demokratie allerdings noch nicht erkannt zu sein. Nach monatelangem politischen Stillstand wurde am Montag der neue Präsident, Aschraf Ghani, feierlich ins Amt eingeführt. Es hatte Monate gedauert, bis ein Nachfolger für den scheidenden Präsidenten Hamid Karsai bestimmt werden konnte. Nach zwei Wahlgängen und langwierigen Überprüfungsverfahren verständigten sich die beiden Kandidaten der Stichwahl vom Juni in der vergangenen Woche auf eine Regierung der nationalen Einheit. Bei der Zeremonie vor rund 1500 Gästen sagte Ghani am Montag Korruption, Misswirtschaft und Armut in Afghanistan den Kampf an, den IS erwähnte er dagegen nicht. Den Taliban bot er Frieden an: „Wir fordern die Taliban dazu auf, sich an politischen Gesprächen zu beteiligen“, sagt er. Doch die Taliban sind möglicherweise bald schon nicht mehr die Hautgegner der afghanischen Regierung und ihrer Sicherheitskräfte.

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