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Afghanistan: Karsai sucht Unterstützung in Berlin

Der Mann mit dem wohl gefährlichsten Job der Welt möchte diesen möglichst behalten. In dieser Woche reichte Afghanistans Präsident Hamid Karsai seine Kandidatur für die Wahl am 20. August ein. Nun wirbt er bei seinen Partnern im Westen um Unterstützung.

Berlin - Am Mittwoch war Karsai in Washington, am Sonntag kommt er nach Berlin. Offiziell wird Karsai in Deutschland als Freund und Partner empfangen. „Die Bundeskanzlerin hat ein unverändert gutes Arbeitsverhältnis zu Präsident Karsai“, sagte ein Regierungssprecher dem Tagesspiegel. Im vertraulichen Gespräch machen Politiker aller Parteien allerdings immer öfter ihrer Enttäuschung über den afghanischen Präsidenten Luft. Von Korruption ist dann meist die Rede und von Führungsschwäche. Deutschland hat rund 3700 Soldaten in Afghanistan stationiert.

Auch in Afghanistan selbst hat das Ansehen Karsais gelitten. „Die Regierung hat ihren Vertrauensvorschuss verspielt“, sagt Jan Koehler vom Osteuropa-Institut der Freien Universität in Berlin. Der Wissenschaftler betreut ein Forschungsprojekt, das im Nordosten Afghanistans in regelmäßigen Abständen die Stimmung in der Bevölkerung untersucht. Die letzte Umfrage fand im Februar und März statt. Deren Ergebnisse sind zwar noch nicht vollständig ausgewertet, nach Koehlers Einschätzung leidet die Bevölkerung jedoch weit mehr unter den schwachen staatlichen Strukturen als unter der Sicherheitslage. Faktisch liege die Macht bei lokalen Herrschern, die Polizei und Sicherheitskräfte ebenso dominierten wie die lokalen Gerichte. „Das fehlende Gewaltmonopol und die korrupte Justiz sind Schlüsselprobleme, die immer wieder genannt werden.“ Das Interesse an den Präsidentschaftswahlen sei dennoch groß, berichtet Koehler. „Die Leute wollen an die Urnen gehen, und sei es, um Karsai abzuwählen.“

Trotz aller Kritik spricht viel dafür, dass der Präsident Afghanistans auch nach dem 20. August Hamid Karsai heißen wird. Denn einerseits hat der Westen noch keinen geeigneteren Partner ausgemacht. Andererseits ist Karsai machtbewusster, als dies im Ausland mitunter wahrgenommen wird. Karsai machte am Montag deutlich, mit welchen Mitteln er um sein Amt zu kämpfen gedenkt. Nachdem das wichtigste Oppositionsbündnis mit dem früheren Außenminister Abdullah Abdullah einen Vertreter der früheren Nordallianz zu ihrem Kandidaten gekürt hatte, berief Karsai den berüchtigten Kriegsherrn Mohammed Fahim in sein Wahlkampfteam. Nach der Wahl soll Fahim Vizepräsident werden. Auch er gehörte einst zur Nordallianz, die gegen die sowjetische Besatzung und später gegen die Taliban kämpfte. Anders als Abdullah werden Fahim indes schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen. Vertreter der UN in Afghanistan äußerten sich denn auch „bestürzt“ über Karsais Entscheidung. Ulrike Scheffer

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