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Afghanistan: Krieg ist nicht gleich Krieg

Die Regierung will den Afghanistaneinsatz neu bewerten – doch entscheidend ist, was die Justiz sagt.

Von Michael Schmidt

Berlin - Die deutsche Debatte über den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr zeigt: Krieg ist nicht gleich Krieg. Das humanitäre Völkerrecht verzichtet ganz auf den Begriff. Juristen sprechen nurmehr von internationalen oder nicht internationalen bewaffneten Konflikten. Je nach Klassifizierung gelten andere Regeln für den Einsatz. Und je nachdem ist diesen in den militärischen Einsatzvorgaben, Operationsplänen und Taschenkarten Rechnung zu tragen. Tatsächlich hat sich nicht nur die begriffliche Bestimmung der Mission am Hindukusch verändert – gerade hat die Bundesregierung angekündigt, den Einsatz neu bewerten und nicht mehr von einem Stabilisierungseinsatz, sondern einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt sprechen zu wollen. Auch der wirkliche Charakter der Auseinandersetzungen hat sich seit 2001 verändert.

Wie Christian Schaller von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) erläutert, handelte es sich in der Anfangsphase der Operation Enduring Freedom, in den Monaten Oktober bis Dezember 2001 unmittelbar nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York, um einen internationalen Konflikt: einen Krieg im klassischen Sinne – einem zwischen souveränen Staaten. Denn damals stellten die Taliban die Regierung in Afghanistan. Nach deren Sturz aber wandelte sich der Charakter des Konflikts, und zwar durch eben diesen Sturz. Seither befindet sich die neue afghanische Regierung in einem nicht internationalen Konflikt gegen die nunmehr als Aufständische geltenden Taliban. Dabei ist der Konflikt aus rechtlicher Sicht nicht international, obwohl Truppen aus mehr als 40 Staaten an der Seite der afghanischen Regierung in die Kämpfe verwickelt sind: „Sofern ein grenzüberschreitender Militäreinsatz gegen nicht staatliche Akteure gerichtet und von der Zustimmung des betroffenen Territorialstaates gedeckt ist, sind solche Auseinandersetzungen grundsätzlich als nicht internationaler bewaffneter Konflikt einzustufen“, schreibt Schaller. Tatsächlich ist die Nato auf Einladung und mit Zustimmung der afghanischen Regierung im Lande.

In jedem Fall geben humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte den Rahmen vor, innerhalb dessen die Bundeswehr und alle anderen Konfliktparteien agieren dürfen. Das heißt im Wesentlichen: Die Wahl der Mittel hat verhältnismäßig zu sein, Kombattanten und Zivilisten sind zu unterscheiden – und letztere weitestmöglich zu verschonen. Ob das im Einzelfall geschieht, ist von Staatsanwälten und Gerichten zu prüfen.

Das tut die Bundesanwaltschaft gerade im „Fall Klein“: Sie prüft, ob gegen den Bundeswehroberst Georg Klein wegen Kriegsverbrechen ermittelt werden muss. Klein hatte die Bombardierung von zwei bei Kundus entführten Tanklastern durch US-Bomber befohlen, bei der auch zahlreiche Zivilisten starben. Würden die Kämpfe in Afghanistan als nicht internationaler bewaffneter Konflikt klassifiziert, dann würde das Verhalten des Bundeswehrobersts nicht am deutschen Strafrecht, sondern am deutschen Völkerstrafgesetzbuch gemessen. Strafbar wäre die Tötung der Zivilisten dann nur, wenn sie in keinem Verhältnis zum militärischen Nutzen stand und Klein dies auch von Anfang an wissen musste.

Die in Aussicht gestellte Neubewertung des Einsatzes durch die Regierung wird sich dabei aber nicht zwingend zugunsten von Georg Klein auswirken. Rechtlich relevant ist allein die Einstufung der Mission durch die Justiz. Charakterisierungen anderer staatlicher Hoheitsträger und Ministerien sind einzig politisch von Bedeutung.

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