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Politik: Afghanistan: Man möchte gerne nützlich sein

Die Reihenfolge der Reiseziele steht für die neuen außenpolitischen Prioritäten Afghanistans. Zuerst besuchte Regierungsschef Hamid Karsai die USA und Großbritannien.

Die Reihenfolge der Reiseziele steht für die neuen außenpolitischen Prioritäten Afghanistans. Zuerst besuchte Regierungsschef Hamid Karsai die USA und Großbritannien. Beiden ist er doppelt verpflichtet: Sie haben die Taliban fortgejagt und ihn zum Interimspremier gemacht. Jetzt drängt es den von Modezar Gucci zum elegantesten Mann des Jahres erklärten Paschtunenfürsten nach Teheran. Der Besuch könnte Schlagzeilen machen. Gut informierte Beobachter behaupten, Karsai sei im Besitz einer Sonderbotschaft von US-Präsident George W. Bush für dessen iranischen Kollegen Mohammed Chatami. Indirekt bestätigte dies auch der Außenminister der Kabuler Interimsregierung, Abdullah Abdullah. Sollten die Länder darum ersuchen, wäre man "gern nützlich", zitierte ihn die Online-Agentur Eurasia-Net.

Grund gäbe es. Spannungen zwischen den USA und Iran, die Kabul beide als strategische Partner betrachtet, würden sich auf die gesamte Region auswirken. Von einem guten Verhältnis beider Länder dagegen kann vor allem Afghanistan profitieren. Zwar hatte Teheran die Anschläge vom 11. September verurteilt und vor Beginn der US-Bombardements in Afghanistan Unterstütung angeboten. Auch in Bonn, sagt ein russischer Beobachter, habe sich neben den USA vor allem Iran um den Erfolg der Afghanistan-Konferenz verdient gemacht. Doch ordnete George Bush die Islamische Republik jüngst zusammen mit Irak und Nordkorea der "Achse des Bösen" zu.

Für Karsai, der zunehmend Gefallen an der Macht findet, wäre es der Gipfel des Triumphs, wenn der Anstoß zur Normalisierung des iranisch-amerikanischen Verhältnisses aus Afghanistan käme. USA und Iran hatten 1979, als islamische Studenten die US-Botschaft in Teheran besetzten, alle offiziellen Kontakte abgebrochen und geißeln sich seither gegenseitig als "Schurkenstaat" und "großer Satan".

Karsais Mission jedoch könnte ausgerechnet von einem Afghanen in Schwierigkeiten gebracht werden, der ihm noch dazu bei der Stammesversammlung Loya Dschirga in die Quere kommen dürfte: Expremier Gulbuddin Hekmatyar, der seit Beginn des Krieges gegen die Taliban aus dem iranischen Exil zum Krieg gegen den Aggressor trommelt - zum Ärger von Staatschef Chatami, der ihn quasi unter Hausarrest stellte, aber mit Billigung von Ayatollah Ali Chamenei, dem geistlichen Führer Irans, der das letzte Wort hat. Karsai könnte daher versucht sein, die Flucht nach vorn anzutreten und in Teheran die Auslieferung Hekmatyars fordern. Dort wollen viele ihn vor Gericht sehen.

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