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Afghanistan: Mission misslungen

Hinter dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan stehen immer mehr Fragezeichen. Die Zweifel wachsen, ob sich die ursprünglichen Ziele des Westens noch umsetzen lassen.

Das Risiko für Leib und Leben der Soldaten wird eher höher als geringer, die Fortschritte beim Wiederaufbau sind mäßig, und die Bundesbürger in allen Umfragen strikt dagegen: Hinter dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan stehen immer mehr Fragezeichen. Dass der ehemalige Verteidigungsminister und heutige SPD-Fraktionschef Peter Struck seine Partei darauf einzuschwören versucht, dass sich Deutschland noch mindestens zehn Jahre am Hindukusch engagieren müsse, kann den immer lauter werdenden Unmut über die Mission auch in seinen Reihen nicht übertönen.

„Immer deutlicher wird, dass ein schlüssiges Gesamtkonzept fehlt“, sagt Michael Staack, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Forderungen, den Einsatz zu beenden, hält auch Staack für blanken Unsinn, sagt aber: „Es ist klar, dass die Ziele deutlich heruntergeschraubt werden müssen.“ Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass der vom Grundsatz her gute Ansatz, das gesamte Land zu befrieden und zu demokratisieren, sich mit dem ursprünglichen Konzept nicht umsetzen lasse. „Die Politik muss klar dazu stehen, dass sich die Ausrichtung des Einsatzes verändert hat und daher auch das Mandat verändert werden müsste. Zurzeit gilt das Mandat der Bundeswehr im Rahmen der Schutztruppe Isaf für den Wiederaufbau. Mandatiert werden müsste aber Wiederaufbau mit starker militärischer Komponente – jedoch kein Krieg wie im Süden.“

Dabei verweist Staack darauf, dass die Sicherheitslage es immer schwerer macht, effektiven Wiederaufbau zu leisten. Wegen heftiger Kämpfe mit den Taliban im Süden und auch im einst als ruhiger geltenden Norden des Landes müssen immer mehr Hilfsprojekte aufgegeben werden. Dies hat der Anschlag in Kundus, bei dem im Mai drei Bundeswehrsoldaten starben, deutlich gemacht. Nach der politischen Sommerpause, wenn die Verlängerung der Afghanistanmandate (siehe Kasten) ansteht, befürchten deutsche Sicherheitsexperten weitere Anschläge auf die Bundeswehr. Auch geht man davon aus, dass sich die Situation weiter verschärft. Vor einem Jahr habe als Sprachregelung noch gegolten, zwei Drittel des Landes seien unter sicherer Kontrolle, jetzt gingen offizielle UN-Angaben gerade noch von der Hälfte aus.

Staack plädiert daher für flächendeckende Leuchtturmprojekte. „Das heißt, in den umkämpften Regionen muss unter entsprechendem Sicherheitsschutz für die Bevölkerung sichtbar stark investiert werden, damit nicht noch mehr abgleitet.“ Auch wenn es aus europäischer Sicht frustrierend sei, werde ein realistisch umsetzbares Ziel vermutlich nur noch sein, die Stammesgesellschaft in dem Vielvölkerstaat so zu rekonstruieren, wie sie bis zum Einmarsch der Sowjetunion 1979 einigermaßen funktioniert hätte. „Und vielleicht entwickelt sich dann irgendwann mal etwas Demokratisches daraus.“

Auch die Analyse von Michael Brzoska, Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, fällt ernüchternd aus. „Die Ziele zu Beginn der Mission waren zu optimistisch. Die internationale Gemeinschaft hat die Reformbereitschaft der Afghanen über- und die Machtkämpfe der einzelnen Volksgruppen unterschätzt.“ Auch Brzoska hält es für unwahrscheinlich, dass es überhaupt noch gelingen kann, das gesamte Land zu befrieden. „Vermutlich würde man mittelfristig etwas Ruhe bekommen, wenn man sich durch Verhandlungen auch mit gemäßigten Taliban darauf verständigen würde, ihnen und auch einigen Warlords gewisse Regionen zu überlassen.“ In Afghanistan werde es auf absehbare Zeit Regionen unterschiedlicher gesellschaftlicher Ausprägung geben, vermutet der Friedensforscher.

Für Yahya Wardak, Leiter des Bonner Afghanistan Information Center, ist klar, dass sein Heimatland mit der jetzigen internationalen Strategie keine Perspektive haben wird. „Entscheidend wäre, dass man sich endlich genaue Ziele in einem klaren Zeitrahmen setzt, was etwa den Aufbau der Verwaltung und die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte betrifft“, sagt Wardak. Die afghanische Verwaltung und die Sicherheitskräfte müssten in den Stand versetzt werden, ihre Probleme selbst zu lösen. „Es besteht eine riesige Diskrepanz zwischen den Beschlüssen auf dem Papier und der Wirklichkeit.“

Die Deutschen, sagt Wardak, genössen von allen Nationen bei den Afghanen immer noch das höchste Ansehen. Aber die Leute würden immer ungeduldiger. Benötigt werde ein Aufbau von Infrastruktur im gesamten Land, und „keine Showprojekte wie auch im deutschen Bereich im Norden des Landes“.

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