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Afghanistan

© dpa

Afghanistan: Offensive in Kandahar

Die Nato schickt 2000 Soldaten in den Süden Afghanistans. Der Einsatz richtet sich gegen mehrere hundert Taliban-Kämpfer im Distrikt Arghandab. Zum ersten Mal hat ein afghanischer General den Oberbefehl bei einer derartigen Operation.

Wenige Tage nach der Massenflucht von Talibankämpfern aus einem Gefängnis in Kandahar hat die Nato in der Nacht auf Mittwoch in der afghanischen Südprovinz einen Großangriff gegen die Extremisten gestartet. An der Offensive sind nach Tagesspiegel-Informationen insgesamt rund 2000 Soldaten beteiligt, darunter 900 Männer und Frauen der internationalen Afghanistanschutztruppe Isaf sowie 1100 Soldaten der afghanischen Armee (Ana). Militärisch geführt wird der multinationale Einsatz entlang des Flusses Arghandab zum ersten Mal von einem einheimischen Offizier – dem Chef des afghanischen Generalstabes, General Bismillah Khan. Dabei werden die Soldaten erstmalig durch Flugzeuge der landeseigenen Luftwaffe Anaac ins Einsatzgebiet verlegt. Deutsche Isaf-Soldaten sind laut Bundesverteidigungsministerium nicht unmittelbar an der Militäroperation beteiligt. Allerdings sind derzeit 36 deutsche Fernmelder auf dem Flughafen von Kandahar im Einsatz, wo sie den weltweiten Funkverkehr der Isaf-Schutztruppe sicherstellen.

Die Großoffensive, die mehrere Tage dauern soll, richtet sich gegen 300 bis 400 Talibankämpfer, die sich in mehreren Dörfern im Distrikt Arghandab verschanzt haben sollen. Experten stufen das Gebiet als strategisch wichtig ein, da die Taliban von dort aus nach Kandahar vorstoßen könnten. Um sich den Weg in die zweitgrößte Stadt des Landes zu ebnen, sollen die Aufständischen Minen gelegt, Brücken zerstört und Schützengräben angelegt haben. Hunderte Zivilisten sollen aus Angst vor Kämpfen aus der Region geflohen sein. Isaf hatte die Zivilbevölkerung laut Informationen aus dem Hauptquartier der Schutztruppe in Kabul mit Flugblättern auf die bevorstehende Großoffensive der Allianz vorbereitet und dazu aufgerufen, in den kommenden Tagen ihre Häuser nicht zu verlassen. Die Aufständischen, gegen die sich der Nato-Einsatz richtet, sollen vor allem mit Handwaffen und Granatpistolen bewaffnet sein. Zudem gehen die internationalen Streitkräfte davon aus, dass die gegnerischen Kämpfer mit selbst gebauten Sprengsätzen ausgestattet sind.

Am Freitag hatten Talibankämpfer ein Gefängnis in Kandahar gestürmt und 1000 Häftlingen zur Flucht verholfen, unter ihnen mindestens 400 Talibankämpfer. Afghanistans Präsident Hamid Karsai hatte daraufhin gedroht, Kabul werde Truppen in die Grenzprovinzen Pakistans schicken, über die die Talibankämpfer ins Land einsickern. Die unwegsamen Grenzprovinzen Pakistans dienen den Taliban als Rückzugsgebiet, was zwischen Pakistan und Afghanistan seit Jahren zu politischen Verstimmungen führt. Kabul wirft Pakistan vor, die Taliban nicht ernsthaft genug zu bekämpfen. Dies weist Islamabad zurück und verweist auf die 1000 im Kampf gegen Extremisten getöteten pakistanischen Soldaten. Nach Karsais Drohung haben die Beziehungen zwischen den Nachbarländern nun einen neuen Tiefpunkt erreicht. Islamabad bestellte den afghanischen Botschafter ein – in Diplomatenkreisen mehr als ein Rüffel.

Nach Einschätzung von Experten sind sowohl dieser Schritt als auch die aktuelle Nato-Offensive in Kandahar doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Wenn die Taliban langfristig aus Afghanistan vertrieben werden sollen, müssen die internationale Staatengemeinschaft und die afghanische Armee deren Nachschub über die pakistanische Grenze unterbinden. Ob das funktioniert, steht und fällt in erster Linie mit der Einsatzbereitschaft der pakistanischen Regierung. Aber auch dem Einfluss des Westens. „Wenn er keinen Druck auf Pakistans Präsident Pervez Musharaf macht, wird die Taliban-Infiltration in Afghanistan immer weitergehen“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch.

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