zum Hauptinhalt

Afghanistan/Pakistan: Obama in der Taliban-Falle

Bei dem Besuch von Karsai und Zardari in Washington wird eins deutlich: Die US-Regierung hat keinen Plan und könnte gar in einen neuen Krieg schlittern.

Alles schien für die Obama-Regierung nach den ersten 100 Tagen wie am Schnürchen zu laufen. Amerikas Wirtschaft schöpft ganz langsam ein bisschen Kraft, es werden wieder Häuser verkauft, Chrysler und General Motors werden wohl auch in den nächsten Jahren Autos bauen dürfen – und die Amerikaner schauen wieder zuversichtlicher in die Zukunft. Zudem: Die konservative Opposition ist vor allem mit sich selber beschäftigt, und ein republikanischer Senator hat soeben die Seiten gewechselt. Die Götter meinen es gut mit Barack Obama.

Doch dann kamen die Tage 106 und 107 – und mit ihnen Afghanistans und Pakistans Präsidenten Hamid Karzai und Asif Ali Zardari nach Washington. Die Probleme sind erdrückend. Pausenlos tagte man in kleinen und großen Runden. Beide Staatschefs waren mit großem Gefolge angereist, vom Verteidigungs- bis zum Landwirtschaftsminister – alle sollen für die neue Friedensstrategie eingespannt werden.

Von einem Durchbruch kann keine Rede sein

Am Mittwoch traten Präsident Obama und Außenministerin Hillary Clinton lächelnd vor die Presse und sprachen von einem Durchbruch. Doch was sie damit meinten, verrieten sie nicht. Konnten sie auch nicht verraten, von einem Durchbruch kann keine Rede sein. Während man am Abend bei Vizepräsident Joseph Biden zu Tisch saß und eine Gazpacho-Suppe aus gelben Tomaten löffelte, vermiesten schlechte Nachrichten aus Pakistan den Appetit und die gute Laune. Die Taliban marschierten weiter voran, wurde gemeldet, und nähmen wichtige Stellungen ein, angeblich sogar in der Nähe einer Atomanlage.

Im Grunde ist Washington ratlos, trotz seines neuen Plans. Weder weiß man, ob Karzai und Zardari vertraut werden kann – noch weiß man, ob die beiden überhaupt einander trauen. Mit Kopfschütteln wurde die Bemerkung der Gäste quittiert, sie lebten zwar in der gleichen Gegend und hätten gemeinsame Probleme, aber im Grunde hätten sie herzlich wenig miteinander zu tun, jedenfalls auf Regierungsebene.

Clinton: "Wir brauchen Geduld, viel Geduld"

Clinton will das schleunigst ändern, sie träumt von gemeinsamen Grenzkontrollen, von neuen Handelswegen und gemeinsamer Wassernutzung. Doch wann das jemals inmitten der wachsenden Kämpfe geschehen wird, weiß auch sie nicht. "Wir brauchen Geduld, viel Geduld", sagte sie. Doch laut Umfragen wollen die meisten Amerikaner so schnell wie möglich raus aus Afghanistan.

Obama sagte deshalb, es ginge vorrangig um Sicherheit und einen Sieg über die Terroristen. Der Afghane und der Pakistaner nickten brav. Doch zugleich wurde deutlich, dass sie nicht mit der amerikanischen Definition des Terrorismus übereinstimmen. Gegen al Qaida sind alle, aber bei den Taliban scheiden sich bereits die Geister. Sind Letztere wirklich Bombenleger und Al-Qaida-Verbündete oder eher Aufständische, die in ihrer Heimat Politik machen wollen und die man nicht unterwerfen kann, sondern irgendwie einbinden muss?

Pakistans Präsident Zardari ist gar nicht glücklich über die Aufstockung amerikanischer Truppen in Afghanistan. Einer seiner Berater sagte hinter vorgehaltener Hand, damit würde man nur den Taliban in die Hand spielen. Am Ende sei vielleicht Afghanistan friedlicher, zumindest vorübergehend. Dafür aber würde die Atommacht Pakistan zerfallen und im Chaos versinken. "Was hätte man damit gewonnen?"

Als Obama mit seinen beiden Gästen in die Halle des Weißen Hauses trat und den angeblichen Durchbruch verkündete, beschlich einen das ungute Gefühl, Amerika könnte leicht in einen neuen Krieg schlittern. Über die Grenzen Afghanistans hinaus. (Zeit Online)

Zur Startseite