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Afghanistan: Partner oder Drückeberger?

Deutschland will beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister am „Nein“ zum Einsatz von Deutschen in Südafghanistan festhalten. Einige Experten fürchten um Deutschlands Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Berlin - Eigentlich war seit Tagen klar, dass Deutschland die Anfrage der Nato um die Übernahme der schnellen Eingreiftruppe „Quick Reaction Force“ (QRF) für die Nordregion Afghanistans nicht ablehnen würde. Am Mittag wird die Sache nun aller Voraussicht nach offiziell: Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) will am Mittwoch zum ersten Mal in seiner Amtszeit vor die Bundespressekonferenz treten. Man kann also davon ausgehen, dass der Minister eine politisch gewichtige Nachricht zu überbringen hat – und sie nun möglichst öffentlichkeitswirksam ans Volk bringt. Es ist sicherlich kein Zufall, dass Jung die allerseits erwartete Übernahme der QRF durch Deutschland einen Tag vor Beginn des Treffens der Nato-Verteidigungsminister und unmittelbar vor der Münchener Sicherheitskonferenz verkündet: Schließlich rechnen Experten damit, dass bei den Konferenzen in Vilnius und Süddeutschland wegen des Afghanistaneinsatzes bei den Bündnispartnern die Fetzen fliegen.

Deutschlands Verteidigungsminister will trotz entsprechender Forderungen aus den USA und Kanada keine Soldaten in den gefährlichen Süden Afghanistans schicken und am bestehenden Mandat für den Militäreinsatz am Hindukusch festhalten. US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte von Deutschland und anderen Nato-Partnern schriftlich ein größeres militärisches Engagement in Afghanistan verlangt und sich dabei auf eine Analyse der Führung der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf berufen. Danach fehlen der derzeit 42 000 Soldaten starken Truppe rund 7000 Soldaten für Kampfeinsätze. Zudem mangele es nach wie vor an Hubschraubern, Flugzeugen und an Kapazitäten für die Aufklärung. Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer hatte angesichts des anhaltenden Streits und der bevorstehenden Konferenzen an die 26 Nato-Mitglieder appelliert, ihre Auseinandersetzungen nicht weiterhin öffentlich auszutragen. „Er fürchtet, dass die öffentliche Diskussion der Truppenbereitstellung zwischen Verbündeten den falschen Eindruck einen Mangels an Solidarität vermittelt, wenn in Wirklichkeit Solidarität vorhanden ist“, sagte sein Sprecher.

Der Veranstalter der Münchner Sicherheitskonferenz, Horst Teltschik, macht kein Hehl daraus, dass die Deutschen sich seiner Meinung nach auch im Süden Afghanistans engagieren müssen. Wenn der Süden nach Einschätzung aller der Schlüssel sei, „kann man nicht sagen, wir bleiben in dem Teil, der schon beruhigt ist“. Dann müssten auch die Deutschen eingreifen. „Dabei geht es nicht nur um Truppen, auch um Ausrüstung“, sagte Teltschik dem Tagesspiegel. Nach Auffassung des früheren Sicherheitsberaters des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl könnte zum Beispiel eine von Deutschland geführte QRF auch im Süden agieren. „Das wären die am besten Geeigneten.“ Die Bundesregierung komme nicht an der Frage vorbei, welcher Truppensteller bei der Isaf-Mission an welcher Stelle in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen müsse. Offenbar wolle man sich aber „drücken“. Teltschik: „Man hat ja Angst vor der öffentlichen Meinung.“ Die Einstellung, in Afghanistan nur die „Aufräumarbeiten“ zu erledigen und andere die „Drecksarbeit“ machen zu lassen, hält Teltschik auch mit Blick auf den deutschen Wunsch nach einem Sitz im UN-Sicherheitsrat für verfehlt: „Dann können wir uns gleich aus der internationalen Zusammenarbeit verabschieden.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse der Bevölkerung jetzt sagen, welche Rolle Deutschland in Afghanistan spielen solle. „Wenn die Leute den Eindruck haben, die Politiker wissen, was sie wollen, können sie auch unpopuläre Sachen durchsetzen“, sagt Teltschik . „Aber wenn die Bevölkerung das Gefühl hat, die haben selber die Hosen voll, geht das nicht.“

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