zum Hauptinhalt
Klima der Angst. Ein Bundeswehrsoldat sichert bei Kundus einen Weg, auf dem Dorfbewohner entlanggehen.

© Axel Schmidt/ddp

Afghanistan: Schicksalsort Kundus

Mit dem Tod von Gouverneur Omar verliert die Bundeswehr ihren wichtigsten Partner. Der Mord an Omar könnte nach Ansicht eines Militärexperten auch die Zerrissenheit innerhalb der Taliban widerspiegeln.

Berlin - Schockiert und entsetzt: So reagieren viele Bürger der Stadt Kundus im Norden Afghanistans auf den Tod des Provinzgouverneurs Mohammed Omar. Der 50-Jährige mit dem Stoppelbart war gerade beim Freitagsgebet in einer Moschee in der Nachbarprovinz Takhar, als die Angreifer offenbar eine Mine fernzündeten. Einige Stunden nach dem Anschlag übernahm ein Sprecher der Taliban die Verantwortung für das Attentat.

„Für mich ist sein Tod ein großer Verlust“, sagt Haji Muhammad, ein Bewohner von Kundus. Angesichts der zahlreichen weiteren Opfer des Anschlags – nach Angaben der Zentralregierung in Kabul starben insgesamt 21 Menschen – spricht er von einem großen Verlust für ganz Afghanistan. „Die Menschen hier sind sehr verschreckt“, sagt Muhammad. „Omar war kein schlechter Gouverneur. Er hat sich zum Beispiel um die Asphaltierung der Straßen in der Innenstadt von Kundus gekümmert. Sein Tod ist ein harter Schlag gegen die Regierung. Wer weiß, was jetzt folgen wird.“

Diese Frage dürften sich auch die deutschen Soldaten in Kundus stellen. Mit Omar verliert die Bundeswehr ihren wichtigsten Partner in der Region. Zwar hatte Omar an den „deutschen Freunden“ immer wieder moniert, dass sie nicht aggressiv genug vorgingen. Auch drängte er immer wieder auf Verstärkung und gab den Deutschen einen Teil der Schuld, dass die militärische Lage sich zuspitzte.

Die Verstärkung ist in den vergangenen Monaten eingetroffen. Seit Anfang des Jahres sind nach unterschiedlichen Angaben zwischen 5000 und 7000 zusätzliche US-Fallschirmjäger, Ausbilder und Spezialkräfte im Großraum Kundus stationiert. Dennoch hielt der Gouverneur zu seinen Partnern aus Deutschland: Im Fall des umstrittenen Luftschlags auf zwei von den Taliban entführte Tankwagen bei Kundus trat der gebürtige Paschtune als vehementer Verteidiger von Oberst Georg Klein auf, der den Angriffsbefehl gegeben hatte.

Nach Ansicht von Assadullah Walwalgi, einem Militärexperten aus Kabul, spiegelt der Mord an Omar die Zerrissenheit innerhalb der Taliban wider: „Gerade jetzt, wo die Regierung mit den Taliban in Kabul verhandelt, wird ein Gouverneur getötet. Was heißt das? Das heißt, dass die Taliban gespalten sind. Ein Teil will mit der Regierung sprechen, der andere will es mit aller Macht verhindern.“

Der Politik- und Wirtschaftsexperte Syfuddin Sayhun von der Universität in Kabul sieht die Taliban dagegen in einer Position der Stärke: „Die Taliban haben wieder einmal zeigen können, dass sie – wann und wo sie wollen – ihre Gegner angreifen können“, so Sayhun. „Zudem sagt uns der Anschlag in Takhar, dass die Taliban mit Gewalt auf die Friedensvorschläge der Regierung reagieren möchten.“

Angesichts der zunehmenden Gewalt, die auch tagsüber ausbricht, steht insbesondere das sogenannte Partnering von deutschen sowie US-Ausbildern und Truppen mit ihren afghanischen Kameraden vor einer neuen Herausforderung. Außerdem dürfte die Furcht der einheimischen Bevölkerung vor den Taliban den Informationsfluss durch lokale Zuträger und Informanten noch schwieriger machen.

„Der Anschlag zeigt in erster Linie, wie schwach die Geheimdienste der afghanischen Regierung und der unterstützenden Länder immer noch sind“, meint der Militärexperte Assadullah Walwalgi. „Mit Soldaten können sie solche Anschläge nicht verhindern. Hier sind die Geheimdienste gefragt.“

In Kundus wird die Stimmung von den Schlagzeilen westlicher Medien und der Propaganda von Aufständischen gleichermaßen geprägt. In der Provinzhauptstadt glauben mittlerweile viele Menschen, dass die internationalen Streitkräfte Afghanistan bald verlassen werden. Sie befürchten, dass die afghanische Regierung in diesem Fall gezwungen wäre, sich mit den Taliban zu arrangieren. Die Bundeswehr und die Nato stecken aber in jedem Fall in einem Dilemma: Während der Abzug im kommenden Jahr teilweise beginnen soll, wird die Region immer unsicherer. Ob die Gewalt auf einen echten Bürgerkrieg zurückgeht oder ob der Konflikt von außen nach Afghanistan hereingetragen wird, ist bisweilen schwer zu trennen.

Unterdessen bestimmten die Mitglieder des neu gegründeten „Hohen Friedensrates“ am Sonntag in Afghanistan den früheren Staatspräsidenten Burhanuddin Rabbani zu ihrem Vorsitzenden. Rabbani sei von dem 70-köpfigen Gremium einstimmig gewählt worden, teilte der Präsidentenpalast in Kabul mit. Staatschef Hamid Karsai hatte den Friedensrat am Donnerstag offiziell ins Leben gerufen. Er soll unabhängig von der Regierung agieren und die Gespräche mit den Taliban vorantreiben. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false