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Afghanistan

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Afghanistan: Staat ohne Geld

Finanzielles Dilemma: Afghanistan hängt am Finanz-Tropf der internationalen Gemeinschaft. Die gibt das Geld falsch aus, sagen Hilfsorganisationen.

Die Straße zwischen dem internationalen Flughafen von Kabul und Afghanistans Hauptstadt hat ein teures Pflaster: Jeweils 2,4 Millionen Dollar, berechnete die Organisation „Integrity Watch Afghanistan“, hat ein Kilometer gekostet. Normal wären, abhängig auch vom Terrain, zwischen 100 000 und 600 000 Dollar pro Kilometer. Schuld an der Preissteigerung ist ein Netz aus Unterauftragnehmern und teuren ausländischen Experten. Dies hat in Afghanistan nach Angaben von Acbar, einer Dachorganisation von 94 Hilfsorganisationen, sogar dazu geführt, dass rund 40 Prozent der internationalen Hilfsgelder wieder in die Geberländer zurückfließen oder gleich dort bleiben.

Was die Verbindungsstraße zum Flughafen betrifft, hatte USAID, die US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit, im Jahr 2005 die Louis Berger Group mit dem Ausbau eines Teils der Strecke beauftragt. Louis Berger gab den Auftrag an eine afghanische Baugesellschaft weiter, und weil jede Firma Personal- und Verwaltungskosten hat, stiegen die Kosten entsprechend. In ihrem neuesten Bericht zur Effektivität der Afghanistanhilfe hat Acbar mehrere Beispiele aufgelistet, wie seit 2001 von rund 15 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe rund sechs Milliarden auf solchen Wegen in die Geberländer zurückgeflossen sein sollen. Besonders teuer sind dabei private Berater- und Sicherheitsfirmen, deren Angestellte zum Teil zwischen 250 000 und 500 000 Dollar im Jahr verdienen.

Etwa 90 Prozent der öffentlichen Ausgaben sind Hilfen von außen, die Regierung selbst hat kaum eigene Einnahmequellen. Mehr als zwei Drittel dieser Gelder fließen zudem an den Ministerien in Kabul vorbei direkt in die Projekte. Das erbost die Regierung, weil das ihre ohnehin geringe Autorität weiter schwächt. Andererseits aber hat sie nach einer Studie des Afghanistan-Experten Hamish Nixon im Haushaltsjahr 2005/06 nur 62 Prozent des gesamten Budgets investiert. Entweder fließt das restliche Geld nicht ab, weil die Verwaltung fehlt, oder aber es verschwindet in korrupten Taschen – und in den Provinzen beklagen sich die Gouverneure, dass kein Geld bei ihnen ankommt.

Die deutsche Regierung versucht dem Problem zum Beispiel im nördlichen Kundus mit Hilfe des sogenannten Provincial Development Fund entgegenzuarbeiten. Hier wird gemeinsam mit Afghanen darüber beraten, welche lokalen Projekte notwendig sind und von wem sie durchgeführt werden können. Aber auch hier gibt es – wie fast überall in Afghanistan – Kritik: Deutsche Nichtregierungsorganisationen sehen „reine Wunschlisten“, die hier geschrieben würden. Der Aufbau verantwortungsvoller lokaler Behörden werde so eher behindert als gefördert.

In jedem Fall aber werden die Gelder ungleich verteilt. Während direkt nach dem Sturz der Taliban Aufmerksamkeit und Geld in ruhigere Regionen gingen, werden jetzt die meisten Mittel in die Unruheprovinzen gepumpt. Wäre Helmand ein eigenes Land, wäre die südliche Provinz fünfgrößter Empfänger amerikanischer Hilfsleistungen weltweit, hat Acbar errechnet. Und das weckt wieder den „Regionalneid“ im Norden, sagt die Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Citha Maass.

Außerdem kritisiert Acbar die Zahlungsmoral der internationalen Gemeinschaftt: Was für den Wiederaufbau ausgegeben wird, ist nur ein Bruchteil dessen, was die Militärmission kostet. Allein der Einsatz der US-Armee habe seit 2001 insgesamt 127 Milliarden Dollar verschlungen. Die internationale Gemeinschaft insgesamt dagegen habe für Wiederaufbau und Entwicklung bis 2008 rund 25 Milliarden Dollar zugesagt – bisher seien davon aber nur 15 Milliarden geflossen. Auch Berlin sei bei seinen Zusagen im Rückstand. Dem hat das Entwicklungsministerium widersprochen und darauf verwiesen, dass von den bis 2010 in Aussicht gestellten 900 Millionen Euro bereits 76 Prozent „völkerrechtlich verbindlich zugesagt sind“.

Der Grünen-Politiker Winfried Nachtwei kann die Kritik an Berlin so nicht nachvollziehen. Jedoch brauche man jetzt, sechs Jahre nach Beginn des Afghanistaneinsatzes, „dringend Wirksamkeitsanalysen“. Nur zu wissen, wie viel Geld wo investiert wurde, reiche nicht aus: „Das sagt schließlich gar nichts über deren Wirkung im Land aus.“

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