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dammjacob

© Bundeswehr

Afghanistan: „Teil unseres Auftrags ist es, kampfbereit zu sein“

Der Isaf-Kommandeur Dammjacob spricht mit dem Tagesspiegel über ein größeres Afghanistan-Mandat der Bundeswehr und die Aufgaben der Schnellen Eingreiftruppe.

Herr General, in einigen Tagen endet Ihr Kommando als Chef der Internationalen Schutztruppe Isaf im Norden Afghanistans. Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Ich habe bisher tolle Eindrücke gesammelt. Die Afghanen haben mich schwer beeindruckt. Im Distrikt Ghormach hat sich der Ältestenrat, wichtige Menschen, offen gegen die Taliban gestellt. Das sind sehr mutige Menschen. Denn sie müssen mit Repressalien rechnen. Und ich sehe Aufbau: In Mazar gehen unheimlich viele Mädchen zur Schule.

Andere greifen an.

Da müssen wir Stärke zeigen. In Kundus wurden wir immer weiter zurückgedrängt. Also haben wir zusätzliche Kräfte dorthin verlegt. Wir haben uns Tag und Nacht im Gelände gezeigt. Jetzt gibt es erheblich weniger Raketenangriffe. Wir können wieder unserer eigentlichen Arbeit nachgehen, den Wiederaufbau zu unterstützen.

Früher sagten Sie, bei Ihnen gebe es kaum Taliban. Hat sich das geändert?

Insgesamt habe ich auch nur wenige Taliban. Aber überall, wo es viele Paschtunen gibt, finden mehr Anschläge statt. Das ist offenbar ein Nährboden. Kundus ist eine Paschtunenhochburg.

Im Mai gab es die Operation Karez. Deutsche Soldaten waren mit der norwegischen Schnellen Eingreiftruppe, der QRF, außerhalb ihres Einsatzgebietes im Westen.

Direkt jenseits der Kommandogrenze im Westen gibt es Gebiete, wo praktisch keine Regierungskräfte mehr waren. Wegen der Sicherheitslage konnten da keine zivilen Helfer mehr hin. Deshalb gab es im Herbst die Operation Harekate Yolo II gegen die Taliban. Im Frühjahr war die Lage wieder so. Also habe ich deutlich über 600 meiner Soldatinnen und Soldaten, darunter die norwegische QRF, mit 1300 afghanischen Soldaten und Polizisten eingesetzt. Wir waren sehr erfolgreich. Dort wird jetzt eine Kompanie der afghanischen Armee stationiert. Dort gab es auch die Erklärung des Ältestenrats.

Was haben sie erklärt, und: Wie lange hält das?

Die Ältesten haben schriftlich erklärt, dass sie dem Mohnanbau abschwören, mit den afghanischen Sicherheitskräften zusammenarbeiten, dass sie Hilfsprojekte wollen. Natürlich sind wir in einem anderen Kulturkreis. Aber das ist ein positives Zeichen. Und die ersten Hilfsorganisationen kommen zurück.

Immer wieder sind Sie im Westen, Ihr Bereich ist der Norden. Sollte man beide zusammenlegen?

Ehrlich gesagt: nein. Im Bereich des Regionalkommandos West gibt es noch ganz andere Aufgaben, etwa in Herat und im Süden des Bereichs. Da waren die Italiener gebunden.

Sollte man den Grenzbereich dem Nordkommando zuschlagen? Sie brauchen dafür immer eine Sondergenehmigung.

Die Region West ist gewillt, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Wir haben da jetzt zweimal ausgeholfen, und dann ist es auch gut.

Am Montag übernehmen deutsche Soldaten die Eingreiftruppe. Was verändert sich mit diesem neuen Auftrag?

Die Soldaten haben im Prinzip keinen anderen Auftrag als die anderen. Sie arbeiten innerhalb des Regionalkommandos. Sie sind nötig, weil ich manchmal rasch Schwerpunkte bilden muss – wie bei Karez.

Wenn das kein anderer Auftrag ist, hätten sie dann nicht einfach 200 Soldaten mehr anfordern können?

Natürlich sind das Infanterie-Spezialisten. Mit 200 Pionieren kann ich die QRF nicht ersetzen. Aber die QRF rückt nicht jedes Mal mit allen Panzerwagen aus.

In Deutschland kommt es so an, dass es mit der QRF zum ersten Mal eine deutsche Kampftruppe gibt, Soldaten mit Kampfauftrag. Sehen die Menschen in Deutschland das alles falsch?

Fragen Sie mal die Kameraden in Kundus, die jede Nacht ausgerückt sind, ob die das Gefühl hatten, sie hätten keinen Kampfauftrag. Ich sehe da qualitativ keinen Unterschied. Aber es mag für den einzelnen Betroffenen so sein, dass die Soldaten der QRF öfter in brenzlige Situationen kommen als andere.

Also hat die ganze Truppe einen Kampfauftrag?

Teil unseres Auftrags ist es, kampfbereit zu sein.

Warum ducken sich die Verantwortlichen dann in der öffentlichen Debatte immer weg, wenn es ums Kämpfen geht? Auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung erwähnt dieses Wort nur unter ferner liefen.

Ich ducke mich nicht weg.

Die Regierung möchte, dass der Bundestag die Truppe im Herbst um 1000 Soldaten aufstockt, 4500 statt 3500. Wofür brauchen Sie die?

Sicher werden im Herbst nicht 1000 Mann mehr hier ankommen. Bei der jetzigen Obergrenze haben wir einfach keine Flexibilität mehr. Wir übernehmen die QRF mit 200 Soldaten. Wir wollen die Ausbildung der afghanischen Armee verdreifachen, mehr Mentoring-Teams einsetzen, die Logistikschule in Kabul ausbauen. Dänen und Tschechen ziehen 100 Mann aus Faisabad ab. Vielleicht brauchen wir da Deutsche zusätzlich. Die 1000 reichen auch, um während der Wahl nächstes Jahr flexibel reagieren zu können. Das deutsche Parlament wird das verstehen.

Die Ausbildung der Armee macht Fortschritte. Bei der Polizei stockt es.

Bei der Polizei geht es sehr, sehr langsam. In Deutschland bin ich dafür, dass örtliche Polizisten aus der örtlichen Bevölkerung rekrutiert werden. Hier ist das anders. Nach sechs Monaten sehe ich: Solange Polizisten dort eingesetzt werden, wo Ihre Familien leben, können sie sich den Machtstrukturen nicht entziehen. Die sind oft mächtiger als die Regierungsstrukturen. Die Polizisten sind ja auch nur Menschen, die an ihrem Leben hängen.

Das heißt, auch die internationale Gemeinschaft muss ihre Strategie ändern?

Wir müssen einen Weg finden, um die Polizei landesweit zu verteilen. Sonst sehe ich keine Lösung, die rasch greifen kann.

Das Gespräch führte Ingrid Müller.

Dieter Dammjacob ist Brigadegeneral der Luftwaffe. Er führt das Regionalkommando Nord in Afghanistan noch bis zum 9. Juli und ist Chef des deutschen Isaf-Kontingents.

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