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Chaos und Gewalt in Afghanistan.

© AFP

Afghanistan: UN-Mitarbeiter vom Mob getötet

Ein radikaler US-Priester verbrennt einen Koran. Ein Vorbeter in einer Moschee im afghanischen Masar-i-Scharif wiegelt die Gläubigen auf. Die Folge: Ein aufgebrachter Mob dort zieht zur örtlichen UN-Zentrale - und tötet acht Ausländer.

Kabul - Vor einem guten halben Jahr war die Aktion noch abgeblasen worden. Eine breite Front von links bis rechts in den USA hatte gegen die Koranverbrennung protestiert, die ein radikaler Pfarrer in Florida plante. Diesmal geschah es - und löste auf der anderen Seite des Erdballs die Reaktionen aus, vor denen viele schon damals gewarnt hatten: Es gab Tote. In der UN-Vertretung im nordafghanischen Masar-i-Scharif sind am Freitag acht ausländische Mitarbeiter der Mission getötet worden.

Nach Moskauer Angaben wurde der russische Leiter der Mission verletzt. Unter den Toten waren nach Angaben der afghanischen Polizei drei nepalesische Wachmänner und ein norwegischer Offizier. Ein weiteres Opfer kam aus Schweden. Auch fünf Demonstranten wurden getötet. Die Opfer hatten nach offiziellen afghanischen Angaben Schussverletzungen. Ein Polizeibeamter sagte, einige der UN-Leute seien enthauptet worden.

Der Sprecher der Regierung der Provinz Balch, Munir Ahmad Farhad, sagte, hunderte Menschen hätten von einer Moschee ausgehend zunächst friedlich demonstriert. Die Proteste seien gewalttätig geworden, als die Männer das UN-Büro erreicht hätten. Der Mob habe die Wachmänner überwältigt, das UN-Gelände gestürmt und das Gebäude in Brand gesteckt. Polizisten, die zur Verstärkung anrückten, seien mit Steinen beworfen worden. Nach Angaben aus der Polizei war die Koranverbrennung in Florida Thema während des Freitagsgebets. Ein Vorbeter in der Moschee habe die Menschen aufgewiegelt. Am Flughafen von Masar-i-Scharif außerhalb der Stadt unterhält die Bundeswehr ihr größtes Feldlager in Afghanistan. Nach Angaben der Bundeswehr waren keine deutschen Soldaten involviert.

UN-Sprecher Dan Norton sagte am Freitagabend, er könne bestätigen, dass das Büro der Vereinten Nationen in der Stadt nach einer Demonstration angegriffen worden sei. Dabei seien UN-Mitarbeiter getötet worden. Die Lage sei unübersichtlich, man arbeite an der Aufklärung und kümmere sich um das Personal. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura sei auf dem Weg nach Masar-i-Scharif, um sich persönlich um die Angelegenheit zu kümmern.Vor einem halben Jahr hatte im Vorfeld des neunten Jahrestags des Anschlags auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 die Drohung der kleinen sektenartigen Freikirche des Pastors Terry Jones schon einmal Unruhen in Afghanistan ausgelöst. Jones, Oberhaupt der Gemeinschaft "Dove World Outreach Center" in Gainesville in Nordflorida, die etwa 50 Mitglieder hat, wollte mit der öffentlichen Verbrennung des heiligen Buchs der Muslime am Jahrestag von 9/11 nach eigenen Angaben gegen die Verbrechen protestieren, die unter Berufung auf den Islam verübt werden. Ein Jahr zuvor hatte er vor seiner Kirche ein Schild mit der Aufschrift "Der Islam ist des Teufels" aufgestellt. Das ist auch der Titel eines Buches von Jones. Massive Proteste ließen ihn schließlich einlenken: Der Kommandeur der US-Truppen in Afghanistan, David Petraeus, warnte vor Folgen für die Sicherheit seiner Soldaten und nannte Jones "ebenso intolerant wie die Taliban". Selbst der rechte, islamkritische TV-Moderator Glenn Beck verurteilte die Aktion.

Schon nach Jones' Ankündigung der Verbrennung hatte es in Afghanistan Unruhen gegeben. Tausende gingen auf die Straße, vor einem Bundeswehrstützpunkt wurde ein Demonstrant bei Krawallen erschossen. Jones zog zurück, ließ aber durchblicken, er tue dies nicht auf Dauer. Das scheint er nun wahr gemacht zu haben. Agenturberichten zufolge war Jones bei der jetzigen Koranverbrennung - die zunächst völlig unbeachtet geblieben war - anwesend. Geleitet hat die Aktion vor zwei Wochen ein anderer Pastor aus Gainesville. dpa/Tsp

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