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Afghanistan: USA wollen mehr deutsche Soldaten

Die anstehende Aufstockung der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan um 1000 auf 4500 Mann reicht den amerikanischen Militärs nicht aus. In Zukunft müssten 9000 deutsche Soldaten an den Hindukusch. Unterdessen will Außenminister Steinmeier die Spezialtruppe KSK abziehen.

Amerikanische Militärs zeigen sich mit der zu erwartenden Bundestagsentscheidung für die Erhöhung der Truppenzahl der Bundeswehr am Hindukusch auf 4500 Mann nicht zufrieden. Das sei in Anbetracht der immer gefährlicheren Lage in Afghanistan zu wenig, war aus Offizierskreisen am Wochenende in Washington zu vernehmen. Die Offiziere wiesen darauf hin, dass nach den US-Präsidentschaftswahlen am 4. November "wesentlich höhere Truppenanforderungen auf die NATO-Verbündeten, also auch auf Deutschland, zukommen werden". Die Bundeswehr werde in Zukunft mindestens 9000 Soldaten stellen müssen.

In einer Sondersitzung will der Bundestag am Dienstag bei der ersten Lesung über die achte Mandatsverlängerung für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan debattieren. Zu dem bisherigen deutschen Kontingent in Höhe von 3500 Mann sollen 1000 für den ISAF-Beitrag hinzukommen. In einem gemeinsamen Schreiben werben Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier eindringlich um Zustimmung des Parlaments.

"Afghanistan in einer schwierigen Phase"

In ihrem vierseitigen Schreiben vom 2. Oktober erklären die beiden Minister:"Afghanistan befindet sich in einer schwierigen Phase. Der Aufbau macht Fortschritte, gleichzeitig verschlechtert sich die Sicherheitslage. Auch im deutschen Verantwortungsbereich im Norden ist die Lage nicht einfacher geworden". Es wird erwartet, dass die vorgesehene Erhöhung der Personalstärke der Bundeswehr nach der abschließenden Beratung am 16. Oktober von den Parlamentariern abgesegnet wird. Die Bundeswehr werde damit auch dazu beitragen, die für Herbst nächsten Jahres geplanten Präsidentschaftswahlen in Afghanistan abzusichern.

Beide Bewerber um das Präsidentenamt in Washington haben bereits erklärt, nach einem Wahlsieg von den europäischen Verbündeten eine erhebliche Aufstockung ihres militärischen Beitrags in Afghanistan zu verlangen. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama hatte erklärt, unter seiner Regierung müssten die Bedingungen für den Einsatz gegen die Taliban "dahingehend geändert werden, dass die NATO-Truppen uns im Kampf in Afghanistan entlasten". Obamas republikanischer Rivale, John McCain, hat für den Fall seines Wahlsiegs sogar eine "umfassende neue Strategie" für Afghanistan angekündigt. Die Kosten für die Einsätze am Hindukusch müssten "richtig unter den Verbündeten geteilt werden".

Linke soll mit Nein stimmen

Sicherheitsexperten im Bundestag glauben, die Amerikaner würden unter ihrem neuen Präsidenten "bestimmt versuchen, mit enormer Truppenaufstockung die Verhältnisse in Afghanistan zugunsten des Westens zu ändern. Im Augenblick stehen in Afghanistan 63.000 ausländische und 16.000 afghanische Soldaten im Kampf gegen die Taliban. Experten der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik haben errechnet, dass zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan mindestens elf Soldaten oder Polizisten auf 1000 Afghanen kommen müssten. Danach müssten etwa 360.000 Soldaten in Afghanistan stationiert werden.

Der Wehrexperte der Links-Fraktion im Bundestag, Paul Schäfer, erklärte, er werde seiner Fraktion empfehlen, bei der Mandatsverlängerung für den ISAF-Einsatz der Bundeswehr mit Nein zu stimmen. Schäfer, der gerade in Afghanistan war, bestätigte, dass der Druck der Amerikaner auf ihre Verbündeten, die Truppenstärke am Hindukusch erheblich zu erhöhen, stark zunehmen werde. Aber auch ein verstärkter Militäreinsatz werde "letztlich nichts bringen".

Steinmeier will KSK-Truppen abziehen

Schäfer betonte, es müsse mit den Wiederaufbauleistungen "endlich das Vertrauen der afghanischen Bevölkerung gewonnen werden". Die Zeit laufe am Hindukusch davon. Die Sicherheitslage sei "prekär". Auch das gerade wiederholt ausgesprochene Angebot von Präsident Hamid Karsai an die Taliban zu Friedensgesprächen bleibe "bisher ohne Konsequenzen". Das Ruder müsse in Afghanistan "endlich herumgerissen werden."

Unterdessen will Steinmeier (SPD) das Afghanistan-Mandat für das Bundeswehr-Elite-Kommando Spezialkräfte (KSK) streichen. Damit würde die deutsche Beteiligung an der US-geführten Operation "Enduring Freedom" (OEF) beendet. Die bis zu hundert Elitesoldaten, die seit 2001 dafür bereit gestellt wurden, seien in den vergangenen drei Jahren "kein einziges Mal" eingesetzt worden, sagte Steinmeier dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". "Deshalb sollte bei der im November anstehenden Verlängerung des OEF-Mandats das KSK-Element herausgenommen werden."

Steinmeier begründete seinen Vorstoß mit der Ausweitung der Beteiligung an der Stabilisierungstruppe Isaf. Dieser sei für Berlin der "eindeutige Schwerpunkt". Am Dienstag dieser Woche debattiert der Bundestag in einer Sondersitzung über die Aufstockung dieses Kontingents um 1000 auf 4500 Mann. Es könne "kein ständiges Draufsatteln ohne kritische Bestandsaufnahme bestehender Verpflichtungen" geben, sagte Steinmeier. "In diesem Sinne" habe er bereits mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Franz Josef Jung gesprochen. Bisher haben sich die Unionspolitiker jedoch in der Frage nicht festgelegt. (jg/dpa/ddp)

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