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Serena Hotel Kabul

© dpa

Afghanistan: Zivilisten als Ziel

Extremisten in Afghanistan greifen immer öfter Ausländer an. Wie in dem Luxushotel in Kabul, bei dem acht Menschen ums Leben kamen. Die Taliban kündigt bereits weitere Anschläge auf Nicht-Einheimische an.

Joachim Bönisch wusste gleich, dass es sich um einen schweren Anschlag handelt. Der Länderdirektor der Deutschen Welthungerhilfe für Afghanistan saß am Montag in seinem Kabuler Büro, als Extremisten das eineinhalb Kilometer entfernt liegende Serena-Hotel angriffen. Das von Ausländern bevorzugte Haus galt bis zu diesem Zeitpunkt als besonders sicher, wer es betreten will, muss mehrere Schranken und eine Kontrolle überwinden. Dennoch gelang es den drei Attentätern, bis vor das Gebäude zu gelangen. Dort kam es dann zu einem Feuergefecht mit dem Wachpersonal. Ein Wächter habe einen Angreifer vor dem Parkplatz erschossen, schilderte der afghanische Geheimdienstchef Amrullah Saleh am Dienstag den Ablauf der Tat. Der zweite Attentäter habe sich in der Nähe zum Eingang der Lobby in die Luft gesprengt, während der dritte in der Lobby um sich geschossen habe.

Die genaue Zahl der Todesopfer stand am Dienstag noch nicht fest. Inoffiziellen Angaben zufolge starben bis zu acht Menschen, darunter mindestens ein Amerikaner und ein norwegischer Reporter. Ein erster Verdächtiger konnte am Dienstag festgenommen werden. In dem Hotel hielt sich auch der norwegische Außenminister Jonas Gahr Stoere auf. Er überlebte das Attentat unverletzt, brach seinen Afghanistanbesuch aber vorzeitig ab.

Für den deutschen Entwicklungsexperten Bönisch zeigt der Anschlag vor allem eines: "Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz", sagte er dem Tagesspiegel. Die Welthungerhilfe werde ihre Sicherheitsmaßnahmen in Kabul nicht weiter verschärfen. "Je mehr wir aufrüsten, werden auch potenzielle Angreifer stärkere Waffen einsetzen", sagte Bönisch. Vor dem Büro der Organisation sind daher nur unbewaffnete Wächter postiert.

Dennoch: Die Extremisten greifen immer öfter gezielt Ausländer an - am Dienstag kündigten die Taliban weitere Anschläge auf Ausländer in Kabul an. "Die Sicherheitslage in Kabul verschlechtert sich verstärkt, wir sind aber noch nicht an dem Punkt, unser Engagement grundsätzlich zu überdenken", erklärte Bönisch. In den Provinzen, wo zehn der insgesamt zwölf internationalen Mitarbeiter der Organisation tätig seien, gebe es derzeit weniger Vorfälle. "Das liegt wohl auch an dem ungewöhnlich strengen Winter", glaubt Bönisch, "wie es im Frühjahr aussehen wird, können wir nicht sagen."

Westliche Geheimdienste rechnen mit einer massiven Frühjahrsoffensive der Taliban. Sie beobachten seit geraumer Zeit, dass sich die Taliban aus dem von ihnen weitgehend beherrschten Süden Afghanistans über westliche und östliche Räume des Landes in Richtung Norden bewegen, wo auch Soldaten der Bundeswehr stationiert sind. Die Bundeswehrstandorte könnten "in die Zange genommen werden", berichtet die Nachrichtenagentur ddp unter Berufung auf Isaf-Offiziere in Kabul.

General Karlheinz Viereck, der Chef des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, beurteilt die Lage optimistischer. Trotz der hohen Zahl schwerer "Sicherheitsvorkommnisse" im vergangenen Jahr geht er davon aus, dass Afghanistan nicht dauerhaft auf deutsche Truppen angewiesen sein wird. Am Rande des Neujahrsempfangs in Potsdam sagte er dem Tagesspiegel am Montagabend: "Das ist keine unendliche Geschichte." Viereck lobte die Zusammenarbeit mit der afghanischen Armee. Die Kräfte für Ausbildung der Soldaten sollen in diesem Jahr mehr als verdoppelt werden. Defizite sieht Viereck hingegen beim Polizeiaufbau, der vom Innenministerium unterstützt wird. Hier reiche das Engagement nicht aus. Auch die zivile Hilfe müsse verstärkt werden. Die Menschen bräuchten Perspektiven. "Wir wissen für jeden einzelnen Ort, was da nötig ist", sagte Viereck.

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