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Politik: Agenda 2013

Klaus Wowereit agiert in Hamburg im Hintergrund – und wartet auf höhere Aufgaben

Wie Pete Doherty sieht er eigentlich nicht aus, der Klaus Wowereit. Er steht im Parlament, hat sich ein Pils geholt und strahlt. Im „Parlament“, einem weitläufigen Areal im Untergeschoss des Hamburger Rathauses, tummelt sich an diesem Freitagabend die Parteielite der Sozialdemokraten zu Beginn des Bundesparteitages. Kurt Beck und Franz Müntefering sind längst weg. Das Getümmel aus Journalisten, Honoratioren und Hostessen hat sich ebenfalls merklich gelichtet. Es ist spät.

„Ich hab ja gar nichts gegen Kate Moss“, sagt der Regierende Bürgermeister von Berlin. In die Nähe des Ex-Lovers des Supermodels, dem Sänger der Rockband Babyshambles, möchte er aber nur ungern gerückt werden. Bela Anda, früher Regierungssprecher unter Kanzler Gerhard Schröder, hatte den Vergleich zwischen dem SPD-Politiker und dem Rockstar im Magazin „Cicero“ angestellt – und Wowereit über den grünen Klee gelobt. Der Berliner sei „frei, authentisch und ohne Angst“ und der „wahre Hoffnungsträger der SPD“. Wie Doherty, der nach zahlreichen Drogeneskapaden gerade mit seiner Band Babyshambles das von Plattenkritikern gefeierte Album „Shotters Nation“ vorgelegt habe, reife auch Wowereit, ohne sich dabei aufzugeben oder zu verkrampfen. Dass der so Gelobte den Vergleich eigentlich ganz wunderbar findet, kann er nur mühsam kaschieren. Hier auf dem Parteitag sei er doch „nur Zuschauer“, sagt er, doch mit der bundespolitischen Rolle seiner Landespartei, sprich, sich selbst, sei er schon „ganz zufrieden“.

Lange Zeit gab es zu solcher Zufriedenheit kaum Anlass. Stellvertretender Bundeschef der SPD wollte er werden, doch Kurt Beck hatte sich lieber für Andrea Nahles und die SPD-Minister Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier entschieden. Und der Kurswechsel des von seiner Mannschaft gelegentlich als provinziell belächelten SPD-Chefs beim Arbeitslosengeld hatte Wowereit kalt erwischt. In seiner Autobiografie „Und das ist auch gut so“ hatte er gerade erst geschrieben, die Berliner seien mit ihrem Arbeitslosengeld „ausreichend versorgt“ und sollten besser mit ihrer Stütze umgehen, da überraschte ihn Beck mit seiner Richtungsänderung beim Arbeitslosengeld I.

Wowereit machte mit bei dem Kurswechsel – und musste sich für seine Zukunft in der Partei neue Ziele setzen. Einen klassischen Verbündeten der Politik sieht er dabei auf seiner Seite: die Zeit. Die Fortsetzung der großen Koalition nach 2009 wäre aus seiner Sicht „eine Horrorvision“. Und ob es wirklich für eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP reicht, auf die Beck setzt? Lieber setzt er offenbar darauf, nach einer Niederlage Kurt Becks die Chance zu bekommen für 2013 – als Kanzlerkandidat oder Parteichef, weil nur er eine Akzentverschiebung nach links glaubwürdig vertreten kann.

In diese Richtung zog er in Hamburg die Strippen: inhaltlich wie personell. Der Regierende Bürgermeister setzte sich an die Spitze der SPD-ler auf dem Parteitag, die einen Parteitagsbeschluss über ein NPD-Verbot durchsetzten. „Ich finde es unerträglich, dass solche Parteien im Namen des Parteienprivilegs Ansprüche stellen, die unsere Demokratie aushebeln“, sagte er in einem vorher nicht angekündigten Redebeitrag, und: „Ich möchte nicht, dass jemand, der mit seinem gleichgeschlechtlichen Partner händchenhaltend durch die Straßen geht, verprügelt wird.“

Seine eigentliche Macht demonstrierte er jedoch im Streit um die Zukunft der Bahn. Zusammen mit seinem Netzwerk – Ex-Bahnmanager und Finanzsenator Thilo Sarrazin, Noch-Jusochef Björn Böhning und Berlins SPD-Chef Michael Müller – zerlegte er den ursprünglichen Parteientwurf und fügte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee eine schwere Niederlage zu. Dass sein Berliner Landesverband nur 15 der mehr als 500 Delegierten in Hamburg stellte, fiel da kaum ins Gewicht. Mit Bildungssenator Jürgen Zöllner, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und dem Vorstandsmitglied Ursula Engelen-Kefer hat er weitere einflussreiche Verbündete in Hamburg – als Ministerpräsident sitzt er qua Amt ohnehin im SPD-Präsidium. Und in vier Wochen kommt eine weitere Wowereit-Vertraute in ein SPD-Spitzenamt: Die Berliner Juso-Landesvorsitzende Franziska Drohsel (27) kandidiert als einzige Kandidatin auf dem Juso-Bundeskongress für den Chefposten. Eine Ex-Juso-Funktionärin leitet bereits jetzt sein Büro.

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