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Politik: Akte Bagdad

Die Stasi-Beauftragte Birthler will den Irakern helfen, ihre Vergangenheit zu bewältigen

Deutsche Truppen in den Irak? Nein, sagt Berlin. Deutsche Firmen in den Irak? Nein, sagt Washington. Wie aber kann Deutschland dann jenen Menschen helfen, die 35 Jahre lang unter Saddam Hussein gelitten haben? Dieser Tage reist Marianne Birthler durch die USA, die Bundesbeauftragte für die Stasi-Akten. In Washington hat sie Gespräche mit Exil-Irakern und Mitarbeitern des US-Außenministeriums geführt, in New York trifft sie Vertreter der Vereinten Nationen. Es geht um das, was gemeinhin die „Vergangenheitsbewältigung“ genannt wird. Darin kennen Deutsche sich aus. Auch die Iraker haben jetzt eine Vergangenheit zu bewältigen. Ungefähr eine Million Menschen sollen während der Hussein-Diktatur durch Folter, Giftgas und Mord ums Leben gekommen sein.

Marianne Birthler will mit ihren Erfahrungen helfen. Die Resonanz, auf die sie stößt, ist groß. Auf Initiative der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington hat sie Kontakte zur „Iraq Foundation“ geknüpft, die nach dem ersten Golfkrieg gegründet worden war. Eine der treibenden Kräfte darin ist Hassan Mneimneh, der Dokumentations-Direktor der „Iraq Memory Foundation“ und Ko-Direktor des „Iraq Research and Documentation Project“. Am wichtigsten sei es, sämtliche Geheimdienstbestände der Saddam-Diktatur zu sichern, sagt Frau Birthler. Ein Teil der Akten befände sich in den Händen der Provisorischen Übergangsregierung. Der andere Teil sei entweder verschwunden oder im Besitz diverser Gruppierungen. „Die Angst vor einem Missbrauch dieser Akten ist groß“, sagt sie. In Bagdad existiere noch keine legitime staatliche Autorität. Außerdem habe es, im Unterschied zur DDR, im Irak mehrere Geheimdienste nebeneinander gegeben.

Man könnte es eine Ironie der Geschichte nennen: Deutschland hat Amerika seine Rechtsstaatlichkeit zu verdanken, jetzt geben Deutsche ihre Erfahrungen mit der Aufarbeitung der diktatorischen Vergangenheit an die Iraker weiter. Die Dimensionen sind anders, doch die Mechanismen der Diktaturen ähneln sich. Frau Birthler benutzt das Bild von der Armband- und Kirchturmuhr. „Der Umgang mit Geheimdienstakten muss seriös, rechtsstaatlich und transparent sein“, sagt sie. Besonders wichtig sei auch, dass ein Amt wie das ihre parteiunabhängig sei. All das habe sie ihren Gesprächspartnern erzählt. Und noch etwas: „Je größer die Offenheit, desto weniger stark sind die Rachegelüste.“

Vor zwei Dingen jedoch warnt Frau Birthler. Erstens vor Bevormundung. „Die Iraker müssen ein eigenes Interesse an der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit haben. Wir können sie beraten, dürfen aber nicht als Lehrmeister auftreten.“ Zweitens vor Vereinnahmung. „Das Ziel unserer Initiative ist nicht die Befriedung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses. Das könnte allenfalls ein positiver Nebeneffekt sein. Es geht allein um die Opfer der Saddam-Diktatur und den Aufbau einer Zivilgesellschaft.“ Bald will sie selbst einmal nach Bagdad reisen.

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