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Politik: Aktenzeichen ungelöst

Der Tod einer iranisch-kanadischen Fotografin in Teheran bleibt unaufgeklärt – das Gericht urteilte, es könne die Täter nicht ermitteln

Das Urteil ist nur die halbe Wahrheit. Der iranische Geheimdienstmitarbeiter Mohammad Reza Aghdam Ahmadi wurde zwar von dem Vorwurf freigesprochen, die kanadisch-iranische Fotojournalistin Zahra Kazemi im Juni 2003 mit einem Schlag gegen den Kopf so schwer verletzt zu haben, dass sie an den Folgen eines Schädelbruchs starb. Die Beweise, die die Staatsanwaltschaft vorlegte, waren indes so dünn, dass westliche Beobachter den Verdacht äußerten, es habe sich um einen Scheinprozess gehandelt, der von den wahren Schuldigen ablenken sollte.

Das Gericht erklärte sich außer Stande, den wahren Täter zu ermitteln. Der Familie Kazemi wird in dem Urteil ein Blutgeld angeboten, dass die Regierung zahlen soll. Bei Männern beträgt diese Form der Entschädigung etwas mehr als 15 000 Euro, bei Frauen die Hälfte. Was genau im vergangenen Jahr passierte, ist bis heute nicht genau geklärt. Kazemi, die als freiberufliche Fotojournalistin arbeitete und in Kanada lebte, wurde am 23. Juni 2003 vor dem Ewin Gefängnis in Teheran festgenommen. Ihr wurde zunächst vorgeworfen, illegal Aufnahmen gemacht zu haben; später beschuldigte man sie der Spionage. 72 Stunden lang wurde sie von Mitarbeitern der Justiz verhört, danach an den Geheimdienst weitergereicht. Der Geheimdienst wiederum lieferte sie in ein Krankenhaus ein, wo sie starb.

Eine Schlüsselrolle in dem Fall spielt der Teheraner Staatsanwalt Said Montasawi, der als Vorsitzender der Pressekammer die Schließung von mehr als 80 reformorientierten Tageszeitungen verfügte und zahlreiche Journalisten ins Gefängnis werfen ließ. Montasawi war offensichtlich auch für die Verhöre Kazemis durch die Justizmitarbeiter verantwortlich und einige Stunden persönlich anwesend. Er ließ nach dem Tod der Fotografin verlauten, sie sei an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Eine von Präsident Mohammad Chatami eingesetzte Kommission fand aber schnell heraus, dass ein Schlag mit einem stumpfen Gegenstand den Tod verursacht hat. Unklar blieb, ob Kazemi auch gefoltert wurde. Ihre Mutter Ezzat spricht von Brandmalen auf der Brust und gebrochenen Fingern und Zehen. Eine unabhängige Obduktion fand aber nicht statt.

Die Verhandlung brachte keine weitere Aufklärung. Anträge der Mutter, die durch vier Anwälte mit der Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi an der Spitze vertreten wird, auf Zeugenvernehmung wurden abgelehnt. Ebadi und ihr Team forderten, dass nach den wahren Schuldigen in den Reihen der Justiz weiter gesucht werden müsse. Dies war offensichtlich brisant genug, um noch am Abend zwei der drei verbliebenen liberalen Zeitungen zu verbieten. Andere Journalisten erhielten Anrufe von Staatsanwalt Said Mortasawi, nicht über den Prozess zu berichten.

Am letzten Verhandlungstag wurden zudem der kanadische und der niederländische Botschafter sowie Mitarbeiter der britischen und der französischen Botschaft von der Verhandlung ausgeschlossen. Auch ausländische Journalisten mussten draußen bleiben. Dann verweigerte der Richter Ebadi und ihren Kollegen das Wort. Die Anwälte verließen daraufhin den Gerichtssaal. Der Richter erklärte die Verhandlung damit für abgeschlossen und verkündete am nächsten Tage das Urteil. Die kanadische Regierung hat offiziell noch nicht reagiert. Sie rief aber ihren Botschafter Philip Mackinnon nach der Aussperrung aus dem Gerichtssaal aus Iran zurück. Europäische Diplomaten in Teheran gehen davon aus, dass der Fall nicht ohne Auswirkungen für die Beziehungen zwischen Iran und der EU bleiben wird. Bislang haben sich die EU-Staaten allerdings still verhalten.

Martin Ebbing[Teheran]

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