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Politik: Aktion gegen „linkswütigen Zeitgeist“

Manfred Kanther, Ex-Chef der Hessen-CDU, wehrt sich vor Gericht gegen den Untreuevorwurf

Zu schneidigen Angriffen auf Staatsanwaltschaft und Medien nutzte der frühere Bundesinnenminister, Manfred Kanther, seinen ersten Auftritt als Angeklagter vor einem Strafgericht. Der ehemalige hessische CDU-Landesvorsitzende und frühere Bundesinnenminister, sein langjähriger Schatzmeister, Prinz zu Sayn-Wittgenstein, und ihr gemeinsamer Geldbote, Horst Weyrauch, müssen sich seit Dienstag vor dem Wiesbadener Landgericht verantworten. Der Dreierbund hatte 1983 mehr als 20 Millionen DM aus dem Vermögen der hessischen CDU heimlich in die Schweiz geschafft – „Untreue“ war das nach Auffassung der Staatsanwaltschaft. Die Angeklagten hätten mit ihrem „konspirativen“ Vorgehen hohe Risiken und Kosten in Kauf genommen, ein Vermögensnachteil zu Lasten der CDU sei dadurch entstanden, sagte Oberstaatsanwalt Jördens zum Prozessauftakt.

Im Stehen, in freier Rede und kämpferisch präsentierte sich der erklärte „Law- and-Order-Mann“ Kanther, der sich in der ungewohnten Rolle eines Beschuldigten sah. Von einer rüden öffentlichen Kampagne gegen ihn sprach er. Dass „kein Pfennig“ vom geheimen Vermögen der hessischen CDU für private Zwecke abgezweigt worden sei, hätten die Medien „absichtsvoll“ ins Kleingedruckte verbannt. Der Straftatbestand der Untreue sei gegen ihn und seine Mitangeklagten „ganz und gar unbrauchbar“, plädierte der Jurist in eigener Sache und warf der Anklagebehörde vor, den Grundsatz der Unschuldsvermutung verletzt zu haben. Aus „anständiger Motivation“ habe man die Union kampagnenfähig halten wollen: „Wir haben uns bewusst einem linkswütigen Zeitgeist entgegengestellt.“

Eher ein Schlusswort denn eine Einlassung zur Anklage sei Kanthers Erklärung gewesen, monierte Oberstaatsanwalt Jördens. Zum Strafvorwurf selbst habe Kanther mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Die Ermittler haben dieses Verfahren gegen erheblichen Widerstand erzwungen, nachdem die Anklage im ersten Anlauf von derselben Kammer abgelehnt worden war, die jetzt auf Weisung des OLG verhandeln muss. Wie Kanther wiesen auch Prinz Wittgenstein und Weyrauch die Strafvorwürfe zurück. Der Straftatbestand der Untreue eigne sich nicht, eine vermeintliche Lücke im Parteienrecht zu schließen, so Prinz Wittgensteins Anwalt Schiller.

Mit dem Gerichtsverfahren findet die Schwarzgeldaffäre der hessischen CDU ein spätes juristisches Nachspiel. Viereinhalb Jahre nach den Enthüllungen über den „Honigtopf im Süden“ (Weyrauch) wird auch Ministerpräsident Roland Koch an die Krise erinnert, die ihn fast um sein Amt gebracht hatte. Auch er steht auf der Zeugenliste. Doch seinem Auftritt vor Gericht kann er gelassen entgegensehen. Die drei Hüter des geheimen Auslandschatzes der hessischen CDU blieben auch vor Gericht, bei ihrer Darstellung, dass Koch erst Ende 1999/Anfang 2000 von ihren Machenschaften erfahren habe.

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