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Politik: Aktion Tafelsilber

SPD und Union wollen zur Sanierung des Haushalts auf Bundesvermögen zurückgreifen – nur wann?

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Berlin - In der Endphase der Verhandlungen über eine große Koalition waren die Fronten bei Union und SPD in Schlüsselfragen bis in den späten Donnerstag Abend noch verhärtet. Besonders die von den Sozialdemokraten geforderte „Reichensteuer“ stieß bei der Union auf Widerstand. Die SPD wehrte sich gegen eine Lockerung des Kündigungsschutzes. Einigkeit zeichnete sich am Abend allerdings in einer Kernfrage ab: Nach Angaben des rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent sehr wahrscheinlich. Der erhöhte Satz soll zum 1. Januar 2007 in Kraft treten.

Die Haushaltslücke von 35 Milliarden Euro könne geschlossen werden, verlautete aus Teilnehmerkreisen. Details wurden nicht bekannt, doch soll dies im Wesentlichen durch Subventionskürzungen und die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer erreicht werden. Als Joker für die Haushaltssanierung 2007 haben beide Seiten das ursprünglich für 2006 geplante Privatisierungspaket von rund 23 Milliarden Euro vorgesehen. In welchem Maße diese geplanten Privatisierungen auf spätere Jahre verschoben werden, wird vom genauen Umfang der Subventionskürzungen und Steuererhöhungen abhängen. Beide Seiten wollen den haushalterischen Spielraum offenbar maximal ausnutzen. Wie es am Donnerstag hieß, planen sie, 2006 die Neuverschuldung des Bund auf rund 40 Milliarden Euro fast zu verdoppeln. Das würde bedeuten, dass 2006 kaum Bundesvermögen privatisiert wird, 2007 und 2008 dafür aber jeweils rund zehn Milliarden Euro.

Gleichzeitig einigte sich die Verhandlungsrunde auf Investitionsmaßnahmen für Wachstum und Beschäftigung in Höhe von 25 Milliarden Euro. Darunter fallen eine Fülle von Einzelmaßnahmen, etwa das geplante Elterngeld, Forschungsförderung oder die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen. Strittig blieb am Donnerstag die so genannte Reichensteuer. In der Union hieß es, sie treffe den Mittelstand und werde daher sehr skeptisch gesehen. „Was die Reichensteuer für die SPD ist, ist für uns die Frage der betrieblichen Bündnisse“, sagte ein Unions-Unterhändler. Am Ende könne es sein, dass beides nicht komme. In der SPD hieß es, es müsse eine gerechte Besteuerung der starken Schultern unabhängig von der Konjunktur geben.

Eine Einigung von Union und SPD stand am Donnerstag auch noch beim Kündigungsschutz aus. Die Union rechnet aber fest mit einer Lockerung. In der Koalitions-Arbeitsgruppe hatte man am Tag zuvor vereinbart, die Probezeit von derzeit sechs auf 24 Monate zu verlängern. In der Atompolitik beharrte die SPD auf dem bereits unter Rot-Grün beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie-Nutzung bis 2021. Dies lehnte die Union ab.

Die Finanzpolitiker von SPD und Union trafen hingegen weitere Einigungen, etwa bei der Umsatzsteuer für Kleinbetriebe. Danach soll die Grenze, bei der die Umsatzsteuer erst nach bezahlten Rechnungen („Ist-Besteuerung“) ans Finanzamt abgeführt werden muss, bundesweit einheitlich auf eine Million Euro Umsatz angehoben werden. Um den Umsatzsteuerbetrug in Milliardenhöhe einzudämmen, soll ein deutlich weniger betrugsanfälliges Modell eingeführt werden. Mittelstandsfirmen sollen bei der Erbschaftsteuer entlastet werden, wenn sie von Nachfolgern fortgeführt werden, um Arbeitsplätze zu erhalten. Umstritten blieben hier aber die Besteuerung höherer Erbschaften und die realistische Bewertung von Immobilien. Offen blieb auch, wie die Gewerbesteuer reformiert wird.

Die letzte schwarz-rote Verhandlungsrunde ist für diesen Freitag geplant. Der Koalitionsvertrag soll dann am 18. November in Berlin unterzeichnet werden.

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