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Akw Krümmel: Provozierte Ministerin Polizeieinsatz?

In der Affäre um den Störfall im Akw Krümmel Ende Juni hat die schleswig-holsteinische Sozialministerin Gitta Trauernicht offenbar doch mehr gewusst, als sie bisher zugibt.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - In der Affäre um den Brand des Vattenfall-Atomkraftwerkes Krümmel Ende Juni hat die schleswig-holsteinische Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) offenbar doch mehr gewusst, als sie bisher zugibt. Obwohl Trauernicht nach Informationen des Tagesspiegels den Namen des Krümmel-Reaktorfahrers zu diesem Zeitpunkt bereits kannte, hat sie Vattenfall am 13. Juli vor dem Kieler Landtag öffentlich vorgeworfen, das Unternehmen weigere sich, diesen zu nennen. Vattenfall war daraufhin in eine schwere Imagekrise geraten, die wenige Tage später zum Rücktritt des Vorstandschefs Klaus Rauscher und mehrerer Manager des Konzerns führte.

Nach dem Brand eines Transformators in Krümmel Ende Juni untersuchten die schleswig-holsteinische Atomaufsicht und die Lübecker Staatsanwaltschaft parallel, ob der Reaktorfahrer des Akw Fehler gemacht habe oder verletzt worden sei. Weil sich Vattenfall jedoch zunächst weigerte, den Namen zu nennen, plante die Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung in Krümmel für den 13. Juli. Diese Durchsuchung vor laufenden Kameras und die parallel dazu stattgefundene Sondersitzung des schleswig-holsteinischen Landtages gilt als Tiefpunkt in der Glaubwürdigkeit des Akw-Betreibers. Vor dem Landtag hatte Trauernicht die staatsanwaltschaftliche Durchsuchung von Krümmel als Beleg für die Unzuverlässigkeit des Konzerns angeführt und einen Entzug der Betreiberlizenz für die Akw in Aussicht gestellt. Auch der Kieler SPD-Justizminister Uwe Döring hatte vor dem Landtag gesagt, er sei „fassungslos“ darüber, dass Vattenfall die Namen der möglicherweise verletzten Reaktorfahrer nicht herausgeben wolle.

Wie der Lübecker Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz dem Tagesspiegel jetzt bestätigte, kannte das Trauernicht- Ministerium allerdings bereits am Tag vor der Akw-Durchsuchung der Kriminalpolizei und der Landtagsdebatte die Namen sowohl des Schichtleiters als auch zweier Reaktorfahrer, die am Tag des Brandes im Akw Dienst hatten. Eine entsprechende Mitteilung des Ministeriums habe die Staatsanwaltschaft am Donnerstag, 12. Juli, gegen 18 Uhr erreicht, sagte Schultz. Darin habe die Atomaufsicht mitgeteilt, dass Vattenfall die fraglichen Namen zwei Stunden vorher per Fax preisgegeben habe. Außerdem hatten sich nach Tagesspiegel-Informationen Mitarbeiter der Atomaufsicht bei einem Besuch des Kraftwerkes Krümmel schon vor der staatsanwaltschaftlichen Durchsuchung diese Informationen selbst aus dem Schichtbuch abgeschrieben, das ihnen der Kraftwerksbetreiber vorgelegt hatte. Die Namen jedoch verschwieg die Atomaufsicht, der Sozialministerin Trauernicht vorsteht, den Staatsanwälten bis zum 13. Juli – dem Tag der Dursuchung und der Landtagsdebatte.

Anderenfalls hätte die Staatsanwaltschaft auch auf die medienwirksame Durchsuchung des Vattenfall-Atomkraftwerkes verzichtet, vermutet jetzt Oberstaatsanwalt Schultz: „Wenn wir sie (die Namen) gehabt hätten“, sagt er, „wären die Maßnahmen so nicht gelaufen“.

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