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Er darf bitten. Alexis Tsipras (links) mit Grünen-Politiker Cem Özdemir, der den griechischen Premier wie viele seiner Kollegen am Dienstag im Hotel besuchte.

© dpa

Alexis Tsipras zu Besuch in Berlin: Ein Premier hält Hof

Am zweiten Tag in Berlin verrät der Ministerpräsident wenig Konkretes – empfängt aber politische Gäste im Hotel. Er schickt damit vor allem symbolhafte Bilder nach Athen

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Für die versammelte Presse hat Premierminister Alexis Tsipras keinen Blick übrig. Kurz winkt er einigen Zuschauern zu, die sich hinter dem rot-weißen Absperrband drängen, dann verschwinden seine Begleiter und er im Stelenfeld. Hinterher laufen zwei Kamerateams und der Direktor der Gedenkstätte, der erst am Morgen von dem hohen Gast erfahren hat. Der Besuch des Holocaust-Mahnmals war wohl der symbolischste Akt des ohnehin höchst aufgeladenen Antrittstermins vom neuen griechischen Ministerpräsidenten in Berlin.

Nachdem Alexis Tsipras am Montagabend bereits bis Mitternacht mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammengesessen und die Zukunft Griechenlands diskutiert hatte, hielt er am Dienstag ein politisches Treffen nach dem anderen ab. Er blieb dabei die meiste Zeit in einem Besprechungsraum im vierten Stock des Marriott-Hotels am Potsdamer Platz, in dem er mit seinen Begleitern abgestiegen war und seine Gäste empfing: Außenminister Frank-Walter Steinmeier, die Linkenpolitiker Katja Kipping und Gregor Gysi, Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel und zum Schluss die Grünen-Politiker Cem Özdemir, Simone Peter und Ska Keller.

Die Gäste mussten dabei Geduld mitbringen, weil sich der Terminplan ständig änderte. Auch eine eigentlich geplante Pressekonferenz, zu der die griechische Seite bereits eingeladen hatte, wurde wieder abgesagt. Alexis Tsipras wollte ganz offensichtlich kein weiteres öffentliches Wort zu seinen Plänen oder auch nur seinen Gesprächen mit Angela Merkel verlieren. Doch während er die Termine ohne Statements verließ, sprachen seine Besucher umso lieber.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier war der Erste, den Tsipras zu sich vorließ. „Ich freue mich darüber, dass sich die Tonlage in den deutsch-griechischen Gesprächen in den letzten Tagen deutlich verändert und deutlich verbessert hat“, sagte Steinmeier nach der Begegnung. Dies sei zwar noch nicht die Lösung der finanzpolitischen Probleme Griechenlands, aber eine Voraussetzung für weitere ernsthafte Gespräche in den nächsten Tagen. Dass Tsipras in Berlin konkreter geworden sei, sagten weder er noch ein anderer der Gesprächspartner. Alle berufen sich auf Vertraulichkeit.

Richtig begeistert klingt nur die Linkspartei: 70 Minuten dauerte das Treffen der Linken-Politiker Katja Kipping und Gregor Gysi mit dem griechischen Parteifreund. Die Linke steht als Partei Syriza am nächsten und hatte im Gegensatz zu den Grünen und den Regierungsparteien die früheren Hilfspakete nicht mitgetragen, da sie die Sparpolitik für falsch hält.

Dementsprechend zufrieden traten die Parteichefin Kipping und der Fraktionsvorsitzende Gysi auf. Tsipras sei „ein Glücksfall für Europa“, erklärte Gysi. 18 Länder in der Euro-Zone würden den neoliberalen Kurs fortsetzen wollen, „Griechenland will einen anderen Weg gehen“. Damit sei erstmals eine Wende in der EU-Politik möglich.

Für die Griechen ist wichtig: Ihr Premier ist nicht wie ein Bittsteller aufgetreten

Weil Tsipras nicht mit der Presse sprach und auch aus dem Kanzleramt nichts Weiteres bekannt wurde, blieb die Deutung des Mitternachtsgesprächs zwischen der Kanzlerin und Tsipras der Opposition überlassen. Kipping lobt den „sehr vertraulichen Austausch“, der zu „etwas mehr Verständnis für die Situation in Griechenland“ beigetragen habe.

Gysi fügt hinzu, das Gespräch, das fast bis Mitternacht dauerte, sei offensichtlich „nicht unangenehm“ gewesen. Aber dies bedeute keinesfalls, „dass es einfach wird“. Die Linke nimmt die Athener Politik ausdrücklich in Schutz. „Es stimmt einfach nicht, dass Griechenland keine konkreten Reformvorschläge unterbreitet hat“, sagte Kipping. Die griechische Regierung agiere unter „sehr schwierigen Bedingungen“. Die Lösung der Liquiditätsprobleme sei von hoher Bedeutung nicht nur für das Land selbst, sondern auch mit Blick auf die Stabilität des Euro und die möglichen Folgen für den deutschen Steuerzahler. Konkreter werden die Linken-Politiker nicht.

Zwanzig Minuten lang lässt sich der Syriza-Chef die Ausstellung am Holocaust-Denkmal zeigen, danach geht es ins Hotel zurück. Uwe Neumärker, der Direktor der Gedenkstätte, sagt den wartenden Journalisten hinterher, der Syriza-Chef habe die Situation nicht für ein politisches Statement genutzt. „Das wäre hier auch nicht passend gewesen.“

Zu Hause in Athen werden sie allerdings zwei Sachen sehr wohl wahrnehmen: Tsipras hat seine Gäste im Hotel empfangen und ist nicht wie ein Bittsteller vorstellig geworden. Und er hat das Holocaust-Mahnmal als einzigen zusätzlichen Termin besucht. Tsipras hatte bei seinem Treffen mit Merkel erneut betont, seine Regierung dränge auf die Aufnahme von Gesprächen über Reparationszahlungen für NS-Opfer in Griechenland. Kanzlerin Merkel aber verwies darauf, das Thema sei politisch und rechtlich abgeschlossen.

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